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Rheinkorrektion
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Egon Kunz
Von der Tulla'schen Rheinkorrektion bis zum Oberrheinausbau
150 Jahre Eingriff in ein Naturstromregime
 
 

1. Einleitung

Die Geschichte des Rheins von Tulla bis heute ist auch die Geschichte in der Landschaft der Limburg. Denn nicht nur in vorgeschichtlicher Zeit - im Zeitalter der auslaufenden Eiszeit - brandeten die Schmelzwässer des Rhein an den Limburgfels, sondern Hochwässer von 6000 bis 8000 Kubikmeter pro Sekunde tobten auch noch vor 200 Jahren ihre Naturkräfte zwischen Breisach, Sponeck und Limburg aus.

...

Nachfolgend soll geschildert werden, wie sich im Verlauf von rund 150 Jahren eine Stromlandschaft durch den Eingriff des Menschen verändert hat und wie der Mensch seither immer hinter den Reaktionen der Natur herlaufen mußte, weil er das vorhandene, natürliche Kräftespiel durch sein Wirken beschleunigte. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die menschlichen Eingriffe aus unbeschreiblichen Gefahren der Rheinbewohner heraus erfolgte. Dabei muß auch beachtet werden, daß die Natur von sich aus keinen status quo kennt, sondern sich laufend - wenn auch für den Menschen kaum erkennbar - verändert.

Die wasserbaulichen Maßnahmen am Oberrhein in dne letzten 150 Jahren erfolgten in drei Epochen:

I. Epoche: Die Tulla'sche Rheinkorrektion von 1813-1870
II. Epoche: Die Schiffbarmachung (Rheinregulierung) von 1912-1940
III. Epoche: Der Oberrheinausbau von 1928/1948 bis heute.

2. Der Rhein vor der Korrektion

Um die Tragweite des menschlichen Einwirkens auf die Stromlandschaft am Oberrhein voll erfassen zu können, muß man sich die Ausgangssituation vergegenwärtigen, die uns in den ausdrucksvollen Tullaschen Rheinkarten überliefert ist.

Bereits vor Tausenden von Jahren hat sich der Rhein sein Abflußsystem in der Rheinniederung (Bereich zwischen dem Hochgestade) als urzeitliche Erosionsrinne selbst geschaftten. Die 150 Jahre dieser Geschichte des Oberrheins sind daher - gemessen am Lebenslauf des Rheins - nur wenige Sekunden.

Im Alluvium begann nämlich der Strom unterhalb Basel beim Eintritt in die aufgeschotterte Oberrheintiefebene bei größeren Anschwellungen das früher im Diluvium breitflächig abgelagerte Geschiebe zu einem schmaleren Band von ca. 6 bis 10 km Breite wieder in Bewegung zu setzen. Dabei zerteilte er seine Wassermassen auf viele Arme, zeitweise reißend, sich wie echte Wildbäche gebärdend, und bewegte wahllos die bei höheren Anschwellungen in den einzelnen Gerinnen abgelagerten Geschiebemassen. In die so entstandene, auf weite Strecken vom Löß der jüngeren Würmeiszeit überdeckte Niederterrasse grup sich dann der nacheiszeitliche Rheinstrom abermals in die Tal- und Stromaue ein, und zwar in einer Breite von ca. 2 bis 3 km, und schaffte sich dabei die heutige, sogenannte "Rheinniederung".

Bei der Beurteilung der früheren natürlichen Stromverhältnisse muß der jahreszeitliche Ablauf des Rheinwassers mit seinen Hochwässern beachtet werden. Im Gegensatz zu allen deutschen Flüssen zeigt der Oberrhein ein ganz anderes Gesicht. Er führt infolge der Ableitung der Schmelzwässer aus den Alpen im Sommer sein Hochwasser ab, die in den letzten 50 Jahren öfters bis zu 4000 m3/s erreicht haben. Im Winter führt der Rhein Niederwasser von nur etwa 400 bis 500 m3/s, während die anderen deutschen Ströme vorwiegend im Herbst und Winter ihre Hochwässer ableiten. Vor der Tulla'schen Korrektion war daher im Sommer die Niederterrasse und die eigentliche Rheinaue größtenteils überschwemmt und deshalb landwirtschaftlich kaum nutzbar.

Neben der hohen Wasserführung war auch das Rheingefälle mit ca. 1 0/00, d.h. pro Kilometer 1 m, außergewöhnlich groß, wodurch er erst seine gewaltige dynamische Kraft erhielt, mit Geschwindigkeiten von 2 bis 3 m/s normal und bis zu 5 m/s bei Hochwasser zu Tal zu fließen. Dabei gebärdete er sich wie ein Wildbach und riß sich je nach dem ankommenden Drallvermögen rechts oder links des entsprechenden Hauptbettes mehrere neue Nebenarme. So entstand das charakteristische Stromgefüge oberhalb Karlsruhe mit den vielen Haupt- und Nebenarmen, der sog. Furkationszone.

Erst unterhalb Karlsruhe, in der sog. Mäanderzone, önder sich des Landschaftsbild mit Abnahme des Gefälles auf etwa 0,7 bis 0,5 0/00. Hier reichte die Kraft des Stromes nicht mehr aus, mehrere Abflußrinnen zu schaffen. Er verzehrte seine Kräfte durch "Ausschweifungen", Mäandrierungen, die Jahr für Jahr immer größer wurden und bis zu 6 km und mehr auspendelten.

Viele Ortschaften wurden bei den jährlich wiederkehrenden Hochwässern von mehr als 4000 m3/s gänzlich zerstört oder wegen ständiger Bedrohung verlassen. So wissen wir, daß die Kirche in Neuenburg im Mittelalter dreimal in den Fluten des Rheins versunken ist. Rheinau - das erstmals im 15. und letztmals im 16. Jahrhundert vom Rhein total verschluck wurde - ist dreimal wieder aufgebaut worden. Die Dörfer Mittelweier und Goldscheuer wurden teilweise, die Orte Wöllingen bei Wyhl, Ihringen und Hundsfeld bei Kehl, völlig zerstört.

Deshalb treffen wir heute nur wenige Ortschaften wie Istein, Rheinweiler, Neuenburg, Breisach und Kehl am Rheinufer an. Alle übrigen Besiedlungen liegen weitab, weil nur die vorgenannten Orte - gleichsam den Zehenspitzen des Schwarzwaldgebirges aufsitzend - vor den Hochwasserkatastrophen einigermaßen sicher waren.

Die am Isteiner Klotz eingeprägten Hochwassermarken überlieferten uns noch die Hochwasserstände aus der Zeit vor und während der Tulla'schen Korrektion. Danach lag beispielsweise das Hochwasser 1852 (in der Mitte der Korrektionszeit) mit rd. 5700 m3/s = 1,36 m über dem Gelände (dem heutigen Autobahnniveau) und das gleichstarke Hochwasser 1976 (nach der Korrektion) nur noch rd. 47 cm darüber, d.h. es wurde eine Absenkung um90 cm erreicht.

Verbunden mit dieser Hochwasserplage war die Seuchengefahr, weil bei Niederwasserzeiten die zahlreichen Rheinabflüsse der Seitengerinne keinen direkten Zufluß mehr hatten und austrockneten, nachdem sich in ihnen zuvor der gesamte Geschwemmselunrat nebst Kadavern jeder Art ablagerte. Die heutige Schnakenplage der Rheinaue ist vergleichsweise zu jenen Zeiten noch paradiesisch.

Einen kleinen Eindruck von der Gesamtsituation gibt das vor der Tulla'schen Korrektion geschaffene Gemälde von Peter Birmann aus der Öffentlichen Kunstsammlung Basel mit Blickpunkt vom Isteiner Klotz auf die Rheinauelandschaft in Richtung Basel. Das im Vordergrund hinter der Klotznase sichtbare Fischerdorf Istein, von einem Hauptrheinarm direkt umflossen, läßt sicherlich jeden die Situation während eines stetig steigenden Hochwassers nachempfinden.

Selbstverständlich gab es auch vor der Tulla'schen Korrektion Hochwassersicherungsbauwerke. Es fehlte jedoch ein einheitliches Konzept. Jede Gemeinde baute auf eigenes Gutdünken Sperrbauwerke, Querriegel oder Leitdämme, um das Hochwasser von der eigenen Gemarkung abzulenken und den Rhein zu zwingen, sich auf der gegenüberliegenden Seite auszutoben. Nach dem Motto "Heiliger Sankt Florian usw." wurde deshalb jahrhundertelang der Rhein von einer Seite zur anderen verfrachtet. Nur wenige großangelegte zusammenhängende Wasserbaumaßnahmen wurden seinerzeit durchgeführt.

3. Erste Epoche: Die Tulla'sche Rheinkorrektion (1830-1870)

Im Jahre 1800 erhielt im Auftrag des Markgrafen Karl Friedrich der erst 30jährige Tulla, der bereits 1790 als markgräflicher Geometer bestellt wurde und seine ersten geometrischen Leistungen in der Anfertigung der Rheinstromkarten bewiesen hatte, weshalb er die Rheinverhältnisse bestens kannte, die Aufgabe übertragen, ein durchgehendes Hochwasserschutzprogramm für den Rhein auszuarbeiten mit gleichzeitiger Absenkung der viel zu hohen Wasserstände. Bei den Überlegungen Tullas zur «Rektifikation des Rhein» waren maßgebend:

  • die jährlich wiederkehrenden großen Hochwasserüberflutungen,
  • die bei Niederwasser ausgetrockneten und zu Seuchenherden gewordenen Altrheinarme,
  • die damals 'allseitig' angestrebte Landgewinnung (durch Trockenlegung verschiedener Altrheinsümpfe und Altrheinarme),
  • die damaligen bau- und arbeitstechnischen Möglichkeiten,
  • der Zeitfaktor,
  • die allseits zu hohen Grundwasserstände.

Zur Lösung dieser vielschichten, teilweise gegensätzlichen Probleme, gab es nur zwei Möglichkeiten:

1. den Rhein durch Dämme einzufassen oder
2. den Rhein durch Einbauten (Quer-, Längs und Parallelbauwerke) in ein sich vertiefendes Abflußbett zu zwingen.

Tulla konnte nur die Lösung 2 wählen, das Einzwängen des Rheins in ein festes Korsett, um das unerwünschte Ausufern bei Hochwasser zu erschweren und ihn durch die Einschnürung seiner Abflußrinne zu zwingen, infolge der ausgelösten Erosion sein eigene Flußbett zu graben.

Diese einfache und doch geniale Idee mußte Tulla am Verhalten der Schwarzwaldbäche und der zahlreichen Haupt- und Nebenrheine gewonnen haben. Nach dem hydrostatischen Verhalten eines Gewässers, wonach Abflußmenge, Abflußquerschnitt, Längsgefälle und Wassertiefe gesetzmäßig von einander abhängen, mußte eine Verminderung des Abflußquerschnittes eine Vergrößerung der Geschwindigkeit und damit auch der Schleppkraft (Erosionskraft) bringen. Aufgrund dieser Erkenntnis wurden vom Hochufer aus die zahlreichen Altrheine durch Querriegel = Buhnen, Längsbauwerke (in mehreren Gruppen hintereinander abgesperrt (verbaut) und dadurch der Rhein gewungen, mit seiner Hochwasserwelle sich dort einen eigenen (neuen) Durchlaß zu schaffen (zu graben bzw. zu erodieren), wo Tulla das geplante 200 m breite neue Rheinbett haben wollte.

Von Menschenhand wurden allein im Abschnitt Basel - Straßburg auf rd. 120 km Strombereich in 40jähriger Bauzeit rd. 240 km Rheinuferdämme mit ca. 5 Mio. m3 Dammkörper und nochmals 200 km Querriegel und Leitbauwerke mit ca. 4 Mio. m3 Dammkörper errichtet.

Wenn man bedenkt, daß diese Erd- und Steinbewegungen seinerzeit nur mit Leiterwagen, Kuhfahrzeugen, von Hand auf- und abgeladen, möglich waren, so gibt das einen eindrucksvollen Hinweis über die Leistungen, Bürden, Sorgen und Belastungen aller Rheinanwohner über nahezu 2 Generationen, um sich vom «Joche des Rheins» zu befreien.

Anfangs hatte Tulla mit den Rheinbewohnern größte Ärgernisse. Sie glaubten nicht an sein Werk. Deshalb mußten in den ersten Jahren die in Frondiensten zusammengetriebenen Rheinbewohner unter militärischem Einsatz ihre Arbeit verrichten. Die Chronik berichtet, daß mehrfach 30 bis 50 Mann starke Truppen von den aufgebrachten Rheinbewohnern in die Flucht geschlagen wurden. Es gab also damals auch schon Bürgerinitiativen. Allein für die Vorbereitung eines Durchstiches mußten rd. 3000 bis 5000 Mann eingesetzt werden, zuzüglich ein entsprechend großes Kontingent an Soldaten. Daraus läßt sich ermessen, welche Bewegungen in dieser Landschaft von Nöten waren.

Daß diese Leistungen auch noch in Fronarbeit und vorwiegend im Winter bei Eis, Schnee und Kälte vollbracht werden mußte, stellt alle im 20.Jahrhundert gepriesenen Bauleistungen unserer Generation weit in den Schatten.

Damals ging es den Menschen nicht um die Erhaltung einer Naturlandschaft, sondern um die Sicherung ihrer nackten Existenz, was man heute bei der Bewertung der Tulla'schen Korrektionsfolgen berücksichtigen muß. Landschaftsschutz im heutigen Sinne war damals nicht das Anliegen der Bewohner. Sie hatten zuviel des Guten; die Natur war ihnen mehr Last und Bürde als Freude; dennoch hatten sie ein innigeres Verhältnis zur Natur als der überzivilisierte Mensch des 20.Jahrhunders.

Vom Strom selbst wurden in der gleichen Zeit ca. 12 Millionen m2 Inseln oder Halbinseln abgetragen oder durchgerissen bzw. rd. 30 Millionen m3 Erdbewegungen durch die Erosion bewältigt. Die Zahlen besagen, daß es von Menschenhand gar nicht möglich gewesen wäre, ein anderes Prinzip zu wählen, als das, den Rhein die Hauptarbeit selbst leisten zu lassen.

Nach Tullas Plänen sollte der Rheindamm (genannt «Uferbau»), der in der Regel geländegleich zu liegen kam, durch sogenannte «Tiefbauten» an den früheren Altrheinabzweigungen nur bis etwa 1000 m3/s Abfluß , d.h. auf halbe Höhe, ausgebaut werden, um das Rheinwasser bereits ab 1000 m3/s Abfluß wieder in die durch den Uferbau abgeschnittenen Altrheinarme strömen zu lassen; Hochwässer über 2000 m3/s sollten ausufern und wieder über die gsamte Rheinniederung fluten, jedoch mit verminderten Gefahren.

Aus der zerrissenen Rheinniederung wurde eine land- und forstwirtschaftlich genutzte Rheinzone. Die Hochwassergefahren wurden wesentlich verringert, ebenso die Seuchenplage. Hochbewaldete und überdeckte Altrheinarme mit klarem Wasser und reichem Fischbestand zeichneten sich damals als weiterer zusätzlicher Erfolg der Tullakorrektion aus. Die Fischerei erlebte einen großen Aufschwung!

Wenige Jahre nach Abschluß der Korrektion begann sich jedoch die Natur zu rächen, nachdem sich der Rhein nicht mehr seitlich austoben konnte, grub er sich stärker als geplant in seinem Korrektionsbett in die Tiefe ein.

Aus den Tulle zu verdankenden Rheinwasserpegeln haben wir einen lückenlosen Nachweis über die Veränderung der Rheinwasserspiegel und der Rheinsohle zwischen Basel und Karlsruhe. Bereits kurz nach Beginn der Korrektionsarbeiten stellte sich im oberen Bereich eine sehr starke Erosion ein, die bei Rheinweiler im Maximum 7 m, bei Neuenburg 5 m, bei Breisach 2 m, bei Sasbach 0 m betrug und bei den Pegeln unterhalb auch zu erhebliche Auflandungen führte.

An dieser Entwicklung waren auch menschlich verständliche Forderungen beteiligt:

1. Die Generation von 1870 bis 1900 hatte den ersten großen Erfolg des Hochwasserschutzes erlebt und verlangte daraufhin, daß die Hochwasserspitzen, die immer noch die großen bereits landwirtschaftlich genutzen Rheinniederungsgebiete überfluteten, durch Errichtung eines zusätzlichen Hochwasserdammsystems auch noch gebannt werden. In den Jahren 1890 bis 1900 wurde ein zweites großes Flußbauprogramm durchgeführt, von Basel bis Karlsruhe ein durchgehender Hochwasserdamm beidseits des Rheins errichtet und dadurch der Abflußquerschnitt des Hochwasserprofils um 50% verringert, wodurch sich die Erosion entsprechend verstärkte.
2. Einen entscheidenden Beitrag zur verstärkten Erosion lieferte die Forderung der Rheinanwohner, die nach Tulla offenzuhaltenden Altrheinarme zuzuschütten, um auch diese nutzbar zu machen! Damit wurden die «Geschiebebewegenden Abflüsse» zwischen 1000 und 2000 m3/s eingeschränkt und der Strom gezwungen, als Ausgleich dafür die Sohle abzutragen.

Rückblickend muß heute von der Fachwelt anerkannt und bestätigt werden, daß Tulla und die seinerzeitige Generation keine andere Wahl hatten. Der einzige Vorbehalt, den man heute machen müßte, wäre der, daß man nicht ein 200m, sondern ein ca. 300-400m breites Flußbett - analog dem Oderausbau - hätte wählen können. Dabei wäre aber mit absoluter Sicherheit die Erosion nicht verhindert worden, wohl aber mit verzögertem Zeitablauf eingetreten. In Anerkennung der damaligen Leistungen jener Generation mußte es den nachfolgenden Generationen des 20. Jahrhunderts überlassen bleiben, das Naturproblem der Erosion ebenso zu bewältigen, wie Tulla das größere Problem der Hochwasserkatastrophen gemeistert hat.

Was Tulla wirklich leistete, ist leider in dieser kurzen Abhandlung gar nicht zu schildern. Er mußte dieses grenzüberschreitende Projekt nicht nur mit Frankreich, d.h. mit Paris, abstimmen, sondern auch auf der deutschen Seite mit unzähligen Fürsten und Bistümern ein einheitliches Maß vereinbaren, nachdem zuvor in diesem Rheinabschnitt 20 verschiedene Maße gegolten hatten, und er mußte vor allen Dingen eine Grenze zwischen Deutschland und Frankreich festlegen. Der seinerzeitige Grenzvertrag stellte eine europäische Leistung ohnegleichen dar. Wir partizipieren heute noch davon, denn unsere heutige Staatsgrenze regelt sich noch nach dem von Tulla im Jahre 1801 festgelegten Talweg, der tiefsten Rinne des Rheinbettes. Sie mußte flexibel sein, weil der Rhein vor und auch nach der Korrektion immer wieder seine Geschiebemassen als Inseln vor sich herschob und einmal rechts oder links am Ufer anlandete!

Tulla glaubte an sein großes Ziel, das er mit folgenden Feststellungen abschloß:

"Wird aber der Rhein rektifiziert sein, so wird alles längs dieses Stromes anders werden. Der Mut und die Tätitgkeit der Rheinuferbewohner wird in dem Verhältnis steigen, in welchem ihre Wohnungen, ihre Güter und deren Ertrag mehr geschützt sein werden! Das Klima längs des Rheins wird durch Verminderung der Wasserflächen auf beinahe ein Drittel durch das Verschwinden der Sümpfe und die damit im Verhältnis stehende Verminderung der Neben wärmer und angenehmer und die Luft reiner sein!"

Aus einer Bekanntmachung des Gemeinderates von Eggenstein bei Karlsruhe vom 20.1.1819 ist zu entnehmen, mit welcher großen Freude, Anerkennung und Genugtuung die Rheinbewohner nach dem erfolgten Durchstich Tullas Werk priesen. Martin Dürr, Bürgermeister dieser Gemeinde, hatte seine damalige Bekanntmachung folgendermaßen formuliert:

"Seiner hochedelgeborenen Herrn Ingenieur Obrist Lieutnant der Freude des des Rheindurchstiches bei Eckstein 20. Jänner 1819 - nachmittags um halb drei Uhr - und zugleich reiner Herzens Dank, vom Gericht und Rath, sämtlicher Inwohner des Ortes, wegen Besorgung des Durchschnittes soll dieses Rheinfest gefeiert werden. In allen Häusern hiesiegen Orts hört man reine lautere Freude. Greise riefen Jubel aus. Alte ließen die Stimme von sich hören: Vivat! Es lebe noch lange Herr Obrist Lieutnant Tulla! Kinder hüpften zur Freude wie junge Lämmer zur Frühlingszeit. Dank, innigsten Dank! - Ortsauftrag der gesamten Bürgerschaft!"

4. Zweite Epoche: Die Rheinregulierung zur Schiffbarmachung des Oberrheins

von 1912-1925 Abschnitt: Mannheim-Kehl
von 1930-1940 Abschnitt: Kehl-Basel

Während die Tulla'sche Korrektion ausschließlich zum Hochwasserschutz der Anwohner ausgeführt wurde, spielte die Schiffahrt dabei überhaupt keine Rolle. Ausgeübt wurde nur die Flößerei, die seit Jahrhunderten bekannt und betrieben wurde. Erst um die Jahrhundertwende kam mit der Entwicklung der Dampfschiffahrt auch der Wunsch auf, den Rhein schiffbar zu machen. Ohne auf die Entwicklung der Schiffahrt im gesamten Rheinbereich einzugehen, möchte ich lediglich den Abschnitt Basel-Kehl kurz erläutern.

Obwohl der Rhein durch die Tulla'sche Korrektion ein einheitliches Flußbett mit 200m Breite zwischen Basel und Straßburg und 230 bis 250 m unterhalb Straßburg erhalten hatte, bewegte sich der Rheinstrom selbst innerhalb des korrigierten Bettes wie zuvor. Er schob seine Geschiebemassen scheinbar wahllos vor sich her und verlagerte Kiesbänke und Inseln. Deshalb konnte eine durchgehende einheitliche Schiffahrtsrinne mit Mindestfahrtiefen von etwa 2 m nirgendwo garantiert werden. Lediglich bei höherer Wasserführung gelangten vorübergehend Schiffe nach Basel.

Aufgrund dieser Verhältnisse projektierte die damalige Großherzogliche Baudirektion in Karlsruhe einen Schiffahrtskanal mit 40 m Wasserspiegelbreite und einer einheitlichen Wassertiefe von 2 m auf der linken, damals elsässisch-deutschen Rheinseite. Zur Speisung war eine Wasserentnahme von 40 m3/s aus dem Rhein unterhalb Basel vorgesehen.

Dieses Projekt spielte später beim Oberrheinausbau eine maßgebliche Rolle, weil Frankreich im Versailler Vertrag sich als Kriegsentschädigungsleistung die totale Ausnutzung des Rheinwassers zur Kraftenergieerzeugung vorbehalten hatte und den seinerzeit projektierten Schiffahrtskanal als Kraftwasserstraße größten Ausmaßes umfunktionierte.

Für die Durchführung der Rheinregulierung bediente man sich im wesentlichen der gleichen Bauwerke, wie sie bei der Tulla'schen Korrektion angewandt wurden. In das profilierte Rheinbett wurden im Sohlenbereich bis zu einer einheitlich festgelegten Niederwasserführung des Rheins Querbuhnen und Längsbauwerke so eingebaut, daß der Rhein abermals ein zusätzliches Niederwasserbett von 75m Breite zwischen Basel und Straßburg und 150m Breite unterhalb Straßburg graben sollte. Die Buhnen wurden im Hinblick auf die Geschiebebewegungen des Rheins in einzelne Lagen, bestehend aus sogenannten Senkwürsten (in der Anfangszeit aus Faschinen, später mit Draht umhüllten Steinlagen), hergestellt und über spezielle Arbeitsschiffe (Senkbrücken) in den Strom abgeworfen. Nach der Herstellung je einer Lage einer ganzen Buhnengruppe wurde sodann der Strom gezwungen, die Rheinsohle oberhalb dieser Buhne auf natürliche Art und Weise aufzukiesen, worauf dann im nächsten Jahr die 2. oder 3. Auflage folgte. Durch diese Methode war es möglich, von den Buhnenbauwerken etwa 40% der Masse durch den Strom selbst hergestellt zu erhalten. Da durch die erneute Einschnürung des Niederwasserbettes die Erosionswirkung beschleunigt wurde, war die sogenannte Fahrwasserrinne in dem ohnehin schon in großen Schleifen sich zu Tal ziehenden Flußbett so geplant, daß sie alle Kilometer von einem zum anderen Ufer pendelte.

Die Niederwasserregulierung zwischen Sondernheim, Speyer und Straßburg hatte 1907 begonnen, wurde durch den Krieg unterbrochen und konnte erst im Jahre 1924 bis Mannheim abgeschlossen werden. Von Mannheim bis Straßburg erfolgte der Ausbau in den Jahren 1920 bis 1930, im Bereich Kehl bis Istein-Basel in den Jahren 1930 bis 1939. Der letzte Abschnitt von Straßburg-Kehl bis Basel war ein Gemeinschaftswerk zwischen der Schweiz und Deutschland, da gerade die Schweiz ein enormes Interesse an der Schiffbarmachung des Rheins zum Anschluß von Basel an das Weltmeer hatte. Deshalb übernahm die Schweiz 60%, Deutschland 40% der Baukosten. Frankreich beteiligte sich an den gesamten Schiffbarmachungsaufgaben des Oberrheins nicht.

5. Epoche: Der Oberrheinausbau (1928/1948 - heute)

Im Versailler Vertrag erhielt Frankreich das Recht, allein das Rheinwasser zur Kraftgewinnung entlang der deutsch-französischen Grenze (etwa bis Lauterburg) auszunutzen. Dazu plante es parallel zum Rhein verlaufend den «Grand Canal d'Alsace» oder den «Rheinseitenkanal». Es stützte sich dabei auf den schon angedeuteten Vorentwurf eines Schiffahrtskanals, der seinerzeit die großherzogliche badische Regierung um die Jahrhundertwende plante.

Nach diesem Projekt sollten zwischen Basel und Straßburg 8 Großkraftwerke mit einer mittleren Jahresenergieerzeugung von 8 Milliarden kWh gebaut werden. Während die 1. Stufe Kembs im Jahre 1928-1930 erstellt wurde, fehlte Frankreich in den Jahren zwischen den beiden Kriegen das Geld, aber auch das Bedürfnis. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde der «Grand Canal» mit Marshall-Geldern finanzier und in einem Bauprogramm größten Ausmaßes die einzelnen Staustufen Ottmarsheim 1952, Fessenheim 1956, Vogelgrün 1959 ausgebaut. Dabei konnte der Kanal mit einer Sohlenbreite von 80 m, einer Wasserspiegelbreite von 130 m und einer einheitlichen Kanaltiefe von 9m (im Querschnitt größer als der Suezkanal), durchweg im Trockenen erstellt und ausgehoben werden. Das gleiche traf für die Kraftwerks- und Schleusenbauten zu.

Obwohl Frankreich auch zum damaligen Zeitpunkt noch kein großes Interesse an der Schiffahrt hatte, mußte es gleichwohl durch die Abzweigung der gesamten Rheinwelle in den Rheinseitenkanal die freie ungehinderte Schiffahrt garantieren, nachdem der Rhein durch die sogenannte Mannheimer Akte im Jahre 1868 internationalisiert wurde. Deshalb war Frankreich auch verpflichtet, die Baukosten für die Schleusen und die laufenden Betriebskosten für den Schleusenbetrieb zu übernehmen, während die Schiffahrt abgabenfrei den gesamten Rheinseitenkanal befahren kann.

Dieses gigantische Projekt hatte natürlich wasserwirtschaftliche Folgen, die je weiter die einzelnen Stufen in Richtung Breisach erstellt und in Betrieb genommen wurden, gravierende Ausmaße annahmen. Während im Abschnitt Basel-Neuenburg der Rhein durch die Erosion als Folge der Korrektion bereits mit Sohle und Wasserspiegel um ca. 7 m abgesunken war und damit die «Versteppung» der Oberrheinniederung eintrat, brachte der «Aderlaß» durch die Ableitung des Rheinwassers bis zu rd. 1200 m3/s über den Rheinseitenkanal im Rheinabschnitt Neuenburg-Breisach eine zunehmende Grundwasserabsenkung und Versteppungsgefahr. Die noch intakten Rheinwaldungen zwischen Hartheim und Breisach wären damit in wenigen Jahren abgestorben. Deshalb setzte schon in den Jahren ab 1952 eine Großaktion aller Parteien, Gemeinden und Interessengruppen ein, um Frankreich politisch zu einem anderen Konzept zu bewegen. Da im Rahmen dieses Berichtes der Platz nicht ausreicht, um die Gründe und technischen Möglichkeiten und Voraussetzungen für dieses Projekt zu erläutern, kann ich nur auf das Ergebnis dieser Bemühungen eingehen:

Glücklicherweise hatte zur gleichen Zeit Frankreich das Bestreben, nicht nur den Oberrhein zur Kraftenergie auszunutzen, sondern auch die Mosel als Schiffahrtskanal zu betreiben. Durch Ausspielung beider Interessen war es der Bundesregierung mit nachhaltiger Unterstützung des Landes Baden-Württemberg und aller Beteiligten gelungen, Frankreich zu einem neuen Konzept mit der Zusage der Moselkanalisierung zu bewegen. Die Umstellung des Projektes ist daher u.a. entscheidend durch die Moselkanalisierung erkauft worden. Diese Zusammenhänge sind heute besonders hervorzuheben, da der Moselausbau - der anfangs stark umstritten war - in der Tat eine wesentliche Verbesserung der Landschaft brachte und am Oberrhein die Kulturlandschaft rettete.

In dem Oberrheinausbauvertrag vom Jahre 1956, der zwischen Deutschland und Frankreich abschlossen wurde und den Weiterbau des «Grand Canal d'Alsace» ab Breisach bis Straßburg zum Gegenstand hatte, wurde eine sogenannte Schlingenlösung konzipiert, die Frankreich schon mit Erfolg an der Rhône praktiziert hatte.

Aufgrund dieser Entwicklung gliedert sich der Oberrheinausbau in 3 große Abschnitte:

1. Basel-Breisach: mit dem Grand Canal,
2. Breisach-Straßburg: mit der Schlingenlösung
3. Straßburg-Karlsruhe: gemeinsamer französisch-deutscher Rheinausbau

Im Oberrheinvertrag 1956 verpflichtete sich außerdem die Bundesrepublik oberhalb Breisach zur Erhaltung der dort noch intakten Aulandschaft 1 bis 2 Kulturwehre auf eigene Kosten zu errichten. Diese Verpflichtung stellte damals schon eine außergewöhnliche Leistung des Bundes im Interesse der Kultur-, Forst- und Wasserwirtschaft dar.

Das Kulturwehr Breisach, erstellt in den Jahren 1962-1965, mit einer Stauhöhe von 8m, kostete rd. 25 Mio. DM. Der Stau reicht bis rd 8 km aufwärts, so daß etwa auf 5 km ein Wasserspiegel gehalten werden kann, der unmittelbar im Bereich der Vegetationszonen liegt, d.h. etwa 1 m unter Gelände. Infolge der Engstelle bei Breisach konnte der Grundwasseraufstau das Grundwasser in der Rheinebene bis zu 15 km landeinwärts anheben.

Der erstmalige Besucher des Rheins bei Sasbach wird erstaunt fragen, weshalb er hier - unmittelbar am Tulla'schen Rheinbett - nicht das erwartete Bild einer regen Rheinschiffahrt vorfindet, sondern das Stampfen der Schiffsmotoren und manchmal auch ein Heulen der Sirenen nur von ferne vernimmt. Hier befindet er sich nämlich im Bereich einer «Schlinge» (Stauhaltung Marckolsheim), und zwar im unteren Staubereich, in dem der größte Teil des Rheinwassers - und damit auch die Schiffhrt - über den Rheinseitenkanal abgeleitet wird.

Die oben bereits erwähnte «Schlingenlösung» beruht auf dem Konzept, daß anstelle der Weiterführung des «Grand Canal» das Rheinwasser auf der halben Strecke zwischen oberem und unterem Kraftwerk im alten Tulla'schen Rheinbett verbleibt. Etwa in der Hälfte dieses Abschnitts wurde im Flußbett ein Stauwehr errichtet, das das Rheinwasser aufstaut und in den ursprünglich geplanten Rheinseitenkanal umlenkt. Von dort fließt es durch den im Trockenen und hoch über dem Gelände gebauten Kanalabschnitt dem unteren Kraftwerk und den Schleusenanlagen zu. Unterhalb des Kraftwerkes wird das Rheinwasser dann wieder über einen kurzen Verbindungskanal in das alte Rheinbett zurückgeführt.

Nach diesem Prinzip wurden die Stauhaltungen Marckolsheit 1961, Rhinau 1964, Gerstheim 1967 und Straßburg 1970 ausgebaut; die dazugehörigen Wehre liegen bei Burkheim, Weisweil, Ottenheim und Altenheim.

Die oberhalb der Stauwehre entstandenen enormen Wasserflächen von rd. 600 m Breite schaffen neue Dimensionen mit entsprechenden Vor- und Nachteilen. nach einer gewissen Regenerationsphase paßte sich jedoch die Natur diesen Veränderungen an. Für die Fischerei und für die Vogelwelt öffneten sich neue Möglichkeiten. In dem abgeschnittenen alten Rheinbett überwintern Millionen Zugvögel. Sogar verschwunden geglaubte Vogelarten haben sich zumindest in der Winterphase wieder eingestellt.

6. Oberrheinausbau - Folgemaßnahmen

Durch die Schlingenlösung wurde für die deutsche rechte Rheinseite landeskulturell folgendes gewonnen

1. Das Rheinwasser verbleibt auf mehr als der Hälfte der Fließstrecke im alten Rheinbett. Damit wird landschaftlich etwa der alte Zustand erhalten, wenn auch die Rheindämme im Hinblick auf den Überstau erhöht wurden. Sie haben sich jedoch überall in das Landschaftsbild eingefügt.

2. Der Grundwasserspiegel wird allgemein gehoben, und zwar nach Belieben durch die sogenannten Drainage oder Sickerkanäle, welche hinter dem Rheindamm verlaufen müssen, um

a) Sickerwasser vom Rhein auszunehmen und

b) das Grundwasser abzuführen, das nicht mehr in den aufgestauten Rhein entwässern kann.

Durch den Einbau von kleinen Wehranlagen in den Drainagegräben können die Grundwasserbestände teilweise variiert und damit das Grundwasser entsprechend gehoben oder gesenkt werden.

3. Durch eine zusätzliche Wasserentnahme aus dem Rhein von max 6 m3/s zwischen Basel und Kehl besteht die Möglichkeit, die teilsweise schon einem Austrocknungsprozeß unterliegenden Altrheine und Altrheinarme wieder zu speisen. In mehreren sogenannten «durchgehenden Altrheinzügen» wird das Rheinwasser von Breisach bis Kehl - ohne Rückführung in den Rhein - mit hohen Aufwendungen auf verschiedene Altrheine verteilt und bewirtschaftet.

4. Um ein Absinken des Grundwassers vom Bereich oberhalb der einzelnen Hauptwehre in den unterliegenden Schlingenabschnitt - in dem nur 15 m3/s jahreszeitlich abfließen - zu verhindern, mußte Frankreich neben den großen Hauptwehren im Rhein zusätzlich in den Schlingen 2 bis 3 sogenannte «Hilfswehre» erstellen, die in ihrer Höhe so angeordnet sind, daß sie etwa dem jahreszeitlichen mittleren Wasserspiegel im alten Rheinbett entsprechen. Diese Hilfswehre sind einfache technische Konstruktionen, dienen aber voll dem vorgesehenen Zweck.

Für den Bereich des Schlingenabschnittes Burckheim/Sasbch wurden in Burkheim bei Rhein-km 237,800 und unmittelbar oberhalb der Pontonbrücke Sasbach bei Rhein-km 239,700 solche Wehre erbaut. Beide haben sich so unauffällig in die alte Stromlandschaft des Tulla'schen Rheinbettes integriert, daß sie vom Oberwasser her überhaupt nicht und vom Unterwasser her nur durch einen kleinen Wasserschleier sichtbar werden.

Nur das «Ruschen» des Rheins, die dynamische Strömung, die die früheren Generationen der Rheinbewohner als charakteristisches Lebenselement des Vater Rheins noch kannten, ging verloren und ist zu beklagen.

Berücksichtigt man die Zustände vor und nach dem Oberrheinausbau so muß erkannt werden, daß das Menschenmögliche in diesem Bereich getan wurde. Die Zeit, die den Wasserbauern immer vorauseilte und in der bei jedem Spatenstich, den sie machten, die Natur sich anschließend rächte, wurde eingeholt und erstmals ein status quo geschaffen, der die einmalige Stromlandschaft konserviert.

Die «Stromgeister», die durch die Tulla'sche Korrektion geweckt wurden, die in den letzten 150 Jahren alle Maßnahmen der Rheinbauer als Zwangsfolgen des ersten Eingriffs in das Naturregime bis heute verfolgt haben, konnten durch die Schlingenlösung optimal gebändigt werden.

Abschließend kann festgestellt werden:

1. Die Tulla'sche Rheinkorrektion stellte für die damalige Zeit und Notlage die einzig richtige Lösung dar.
2. Die Zwischenperiode zur Schiffbarmachung des Oberrheins hatte an der großen Erosion keinen wesentlichen Anteil.
3. Der Oberrheinausbau (Bau des Grand Canal) war in seinem ersten Abschnitt zwischen Basel und Breisach ein naturgewaltiger Eingriff, der damals schon technisch nicht mehr gerechtfertigt war, heute sicherlich auch von Frankreich nicht mehr in dieser Form ausgeführt worden wäre.
4. Der Oberrheinaus nach dem Prinzip der Schlingenlösung stellt im Abschnitt Breisach-Kehl/Straßburg die optimale Lösung dar zwischen den Bedürfnissen der Landschaft zur Ausnutzung der billigeren und umweltfreundlicheren Energie (der sog. «weißen» Wasserkraftenergie), der Ausnutzung der Kanalsysteme für bessere Schiffahrtsverhältnisse und der entgültigen Eliminierung der Erosionskräfte des Rheins.

 
 

Regierungsbaudirektor Egon Kunz, Referat gehalten vor der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Beauftragter für Naturschutz und Landschaftspflege in Mannheim, Oktober 1973, abgedruckt in: Jahrbuch für Naturschutz und Landschaftspflege, Bd. 24, Bonn-Bad Godesberg 1975, S. 59-78, nachgedruckt in: Naturschutzgebiet Limberg am Kaiserstuhl - Führer Natur- und Landschaftsschutzgebiete Baden-Württemberg, 2. Aufl. Karlsruhe 1987