Gross Sankt-Martin
Sankt Kunibert - GoogleEarth
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Über viele Jahrhunderte - lange bevor der Dom endlich seine Türme erhielt - bestimmte der massive vierkante Turm von Groß Sankt-Martin die Silhouette von Köln. Die Basilika, die auf einer Insel in der sog. Rheinvorstadt errichtet wurde, gehört zu den zwölf romanischen Kirchen innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer. Wie fast alle Gebäude auf diesem Gebiet ruht sie auf Hinterlassenschaften der römischen Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Ausgrabungen in den 1960er und 70er Jahren zufolge befand sich an dieser Stelle im ersten nachchristlichen Jahrhundert ein Sportplatz mit Wasserbecken. Im 2. Jahrhundert errichteten die Römer hier ein Geviert aus Lagerhallen.
Über den eigentlichen Ursprung der Kirche sind die Angaben widersprüchlich. Als sicher gilt, daß ein Vorgängerbau, der möglicherweise aus Teilen einer der erwähnten Lagerhallen bestand, im 10. Jahrhundert als Stiftskirche eines von schottischen Missionaren geführten Benediktinerklosters diente.
1150 verwüstete ein Großbrand die Rheinvorstadt1. Aus diesem Anlaß errichteten die Benediktiner einen Trikonchos2, der 1172 von Erzbischof Philipp I von Heinsberg eingeweiht wurde und den Grundstock für alle späteren Um- und Erweiterungsbauten bildet.
In den Jahren nach der Einweihung entstand das Langhaus mit der zweistöckigen Benediktuskapelle. Im 13. Jahrhundert wurde der Innenraum filigraner gestaltet, indem man aus dem Mauerwerk Nischen und Laufgänge des Triforium3 herausarbeitete. Das Langschiff wuchs um fünf Meter und erhielt im Westen eine zweijochige Vorhalle. (Die Vorhalle wurde nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg nicht wiederaufgebaut.) Das Langschiff stieß unmittelbar an die Brigidenkirche - die Kirche, die der Heiligen Brigida von Kildare geweiht war, wurde unmittelbar nach der Säkularisation abgerissen - und hatte mit dieser eine gemeinsame Mauer, wodurch der südliche und der nördliche Grundriß des Langschiffs unterschiedlich verlaufen.

Grundriß (rechts des Triforium)

Nachdem in den folgenden Jahrhunderten Sturmschäden und natürlicher Verfall kleineren Veränderungen zeitigten, beschloß die Abtei unter Abt Franz Spix (1741-1759) im Zusammenhang mit einem Neubau des Klosters eine zeitgemäße Ausgestaltung des Innenraums. Der 'Barockisierung' folgte Ende des Jahrhunderts eine klassizistische Ausschmückung der Basilika durch Ferdinand Franz Wallraf4. Um 1789 wurden die Ecktürmchen an der Westseite zusammen mit der Magdalenenkapelle abgerissen. Die Hauptapsiden erhielten Fenster.
1794 wurde die linke Rheinseite von napoleonische Truppen besetzt. Auf die Einführung des Code Civil folgte die Auflösung des Klosters 1802 und Groß Sankt-Martin wurde Pfarrkirche. 1843 beschloß die Stadt, sich an der Instandsetzung des verfallenden Hauses: Zunächst wurde der eine, später der zweite der fehlenden Ecktürmchen ersetzt, das Dach und der Westgiebel wurde erneuert. Im Innenraum die trat anstelle des klassizistischen ein historistisches Bilderprogramm. Mit der Ausmalung wurde der Kölner Maler Alexius Kleinertz beauftragt. Die Arbeit, die 1868 begann, wurde 1885 abgeschlossen.
Gasse Auf dem Rothenberg mit Blick auf Groß St. Martin vor dem 2. Weltkrieg
Ende des 2. Weltkriegs lag die Kirche in Trümmern. Arbeiten an der Ruine beschränkten sich im Jahrzehnt nach Kriegsende auf die Sicherung des Vorhandenen und die provisorische Reparatur der Konchen. Der eigentliche Wiederaufbau des Langschiffs wurde 1955 in Angriff genommen und zog sich über vier Jahrzehnte hin. Dank eines in dieser Zeit stattfindenden Gesinnungswandels hinsichtlich der Gestaltung des Innenraums wurden die Fragmente der Ausgestaltung aus dem 19. Jahrhundert - Teile der Ausmalung und der Bodenmosaike - bewahrt und in den restaurierten Raum integriert. Auf eine vollständige Wiederherstellung hatte der verantwortliche Architekt Joachim Schürmann verzichtet. Gross Sankt-Martin ist daher unter den romanischen Kirchen in Köln die einzige, die Einblicke in die alte Innenraumgestaltung ermöglicht.
Westansicht (Chor und Turm) von Sulpiz de Boisserée (19.Jhdt-)
Am 13. Januar 1985 wurde Groß Sankt-Martin erneut geweiht und ihrer Bestimmung als Gotteshaus zugeführt. Da die Kirche ihre alte Gemeinde an den Dom verloren hatte, wurde sie bis 2008 von den spanisch-, portugiesisch- und philippinisch-sprachigen Kategorialgemeinden genutzt. Seit 2009 ist Groß Sankt-Martin wieder Klosterkirche einer kleinen, zwölf Mitglieder zählenden benediktinischen Gemeinschaft der Fraternité de Jérusalem.
Außer den Reliquien der Heiligen Brigitta von Schweden, des Heiligen Sebastian und des Engelbert von Köln beherbergt die Kirche verschiedene sehenswerte Ausstattungsstücke, darunter einen Taufstein aus der Stauferzeit, ein Triptichon aus der Renaissance und eine Skulptur des Heiligen Eliphius.
Öffnungszeiten
Di-Fr
Sa
So
8.30-13.00
9.00-13.00
10.00-13.00
15.00-19:30
15.00-19:30
15.00-19.00
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  1 Die Kirche erhielt den Zusatz 'Groß', nachdem der Rheinarm, der die Rheinvorstadt von der eigentlichen Stadt trennte, aufgefüllt worden war, gegen die Verwechslung mit der Kirche Sankt Martin.
2 Trikonchos: Bauwerk, dessen Grundriß auf einem Kreuz mit vier gleichen Armen beruht. Drei Seiten werden von Apsiden gebildet, mit einem geraden Portal an der vierten Seite. Auf dem Grundriß ist der Trikonchos gegenüber dem Langschiff noch gut zu erkennen.
3 Triforium: In romanischen und gotischen Kirchen die Gliederung der Hauptschiffwände zwischen den Arkaden und den Lichtgaden. In romanischen Kirchen beruht die Gliederung oft auf Blendarkaden (Blendtriforien) ohne den schmalen Laufgang um Chor und Langhaus, den man in gotischen Kirchen findet.
4 Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), Kölner Gelehrter, Theologe und Kunstsammler, dessen Sammlung das Wallraf-Richartz-Museum beherbergt.
   
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For many centuries - long before the Cologne cathedral became the town's unmistakable landmark - the square tower of Gross Sankt-Martin dominated the skyline of Cologne. Built on what once was an island off the actual city the basilica is one of the twelve Roman churches within the medieval walls that have been restored with much care. Like all buildings of the area it rests on remains of the ancient Roman Colonia Claudia Ara Agrippinensium. According to findings of archaelogical excavations the site had been used as a sports ground with a pool in the 1st century, and later was overbuilt by warehouses around a square in the 2nd century.
While the very origins of the church are lost in history findings and documents suggest an older church in the 10th century, for which parts of an old warehouse may have been used.
This collegiate church of an abbey of Scottish Benedictine missionaries fell prey to a fire that raged about the suburbian island1 in 1150. Following the destruction the Benedictines built a triconchos2 on the same site. A nave and a two-storied Benedictus chapel were added soon after inauguration. In the 13th century niches and galleries of the triforium3 were cut into the stone walls to create a more sophisticated interior. The nave was extended by five metres with a porch attached to its western end. (The porch has not been part of the rebuilding program after WWII.) Since the nave touched the neighbouring church of St. Brigid - this minor church that was dedicated to Saint Brigid of Kildare has been demolished following secularisation in 1802 - the floor plan shows some asymmetries between the northern and the southern nave.

Grundriß (rechts des Triforium)

The centuries that followed saw only minor changes mainly consisting of repairs of damages caused by natural deterioration or storm. It was during the incumbency of abbot Franz Spix (1741-1759) that the building of a new a abbey was a welcome opportunity to redecorate the church interior. The 'baroque' period did not last long, however. It was followed by a more neo-classical decoration by Ferdinand Franz Wallraf4. At the outside two minor flanking towers on the west side of the great tower and the Magdalen chapel were demolished and the main apses were equipped with windows.
Following the occupation of the left bank in 1794 by Napoleon troups the French Code Civil became common law. Soon after secularisation in 1802 the Benedictine abbey was closed and Gross Sankt-Martin was made a parish church. In 1843 the city of Cologne decided to contribute to the refurbishment of the decaying building. While on the outside the flanking towers were rebuilt and the roof and the west pediment were restored, the interior again underwent redecoration. The neo-classical imagery was replaced by historicist paintings done by the Cologne painter Alexius Kleinertz who worked on them from 1868 until 1885.
narrow lane Auf dem Rothenberg with a view of Gross St. Martin before WWII.
The end of WW II saw the church in ruins. Works on the remains did not go beyond the securing of what was still standing, namely repairs of the apses. The actual reconstruction of the nave and the tower began in 1955 and took four decades. Over time opinions as for the preservation or reconstruction of the church based on older documents changed. While the architect Josef Schürmann avoided an 'authentic' recreation of any prior state, fragments of the 19th century paintings and the tesselated floor were integrated into a newly restored interior.
west view (tower above the triconchos) by Sulpiz de Boisserée (19.Jhdt-)
On January 13, 1985 Gross Sankt-Martin was re-inaugurated as a parish church. Since in the meantime the parish had been lost to the Cathedral it was used for services in Spanish, Portuguese and Filipino until 2008. In 2009 the church was rededicated as collegiate church by a small community of twelve Benedictines who had chosen Cologne as an outpost of the Fraternité de Jérusalem.
Apart from the relics of the Holy Brigitta of Sweden, the Holy Sebastian and Engelbert von Köln the church houses some pieces of ecclesiastical art worth seeing, such as a medieval baptismal font, a Renaissance tryptich, and a sculpture of Saint Eliphius.

visiting hours
tue-fri
sat
sun
8.30-13.00
9.00-13.00
10.00-13.00
15.00-19:30
15.00-19:30
15.00-19.00
 
  1 The church was named 'Gross' Sankt-Martin so as not to confuse it with the church of Sankt Martin in the city proper after the branch of the Rhine was filled up.
2 Triconchos: construction based on a greek cross. Three side walls of the building are convex (apses) the fourth is a straight wall with the entrance. In the later building the triconchos is the chancel from which the tower rises.
3 Triforium: in roman and gothic churches this is a shallow gallery of arches within the old wall.
4 Wallraf (1748-1824) was a known scientist, priest and collector of art (whose collection is housed in the Wallraf-Richartz Museum)
   
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