Bonn
 
Straßenbrücke Beuel
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Straßenbrücke Bonn-Beuel

Eine fliegende Brücke und eine im Laufe des 19. Jahrhunderts hinzugekommene Dampfschifflinie vermittelten den Verkehr zwischen der Stadt Bonn und dem Dorf Beuel. Die fliegende Brücke bedeutete ein schweres Hindernis für die Rheinschiffahrt, da die Breite des Stromes die Anbringung eines von Pylonen getragenen, schwebenden Giertaues auschloß. Das vorhandene von Nachen getragene Giertau sperrte aber abwechselnd die eine oder die andere Hälfte des Stromes für den durchgehenden Schiffsverkehr. Beide Transportmittel verkehrten nur in großen Zeitabständen zwischen den Rheinufern und litten besonders im Winter unter der Witterung, weil das Eis auf dem Rhein den Verkehr wochenlang zum Stocken brachte. Ferner war auf der ganzen 100 km langen Stromstrecke zwischen Köln und Koblenz mit dicht bewohnten Gebieten und zahlreichen Städten keine feste Rheinbrücke vorhanden. Als Sitz der rheinischen Friederich Wilhelm-Universität, der Landwirtschafts-Akademie, der Garnison des Königshusaren-Regiments und als beliebter Ruhesitz angesehener Familien hatte Bonn gröRere Verkehrsbedürfnisse als nach der damaligen Einwohnerzahl (rd. 45000 Ortsangehörige) zu vermuten gewesen wäre. Außerdem vermittelte Bonn den oberrheinischen Verkehr zwischen der Eifel, dem Siegerland und dem Bergischen Land. Es erfreute sich auch eines regen Fremdenverkehrs. Im Laufe der Zeit hatten alle diese Gründe das Bedürfnis nach einer festen Rheinbrücke so dringend hervortreten lassen, daß 1892 die Verwaltung der Stadt Bonn einen Vorentwurf und einen Kostenvoranschlag erstellen ließ.

Prof.Dipl.-Ing. Hans-Fried Schierk, 100 Jahre feste Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen 1855-1955, pp.9ff
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Die Bonner Straßenbrücke war der erste große eiserne Brückenbau, der von einer Stadtgemeinde in Auftrag gegeben wurde. Zur Erlangung möglichst zweckentsprechender Entwürfe schrieb die Stadt Bonn im Juni 1894 einen öffentlichen Wettbewerb aus. Für die Bestimmung der einzelnen Öffnungsweiten und der Gesamtdurchflußweite waren schwierige Bedingungen vorgeschrieben. Es wurde eine freizuhaltende Mittelöffnung von mindestens 150 m verlangt, außerdem beiderseits eine Seitenöffnung, die wenigstens 60 m vom Uferrand entfernt blieb. Für den Durchfluß des Hochwassers sollte eine Querschnittfläche zwischen den Pfeilern von 4380 bis 4600 m2 vorhanden sein.

Im Wettbewerb konkurrierten die Hängebrucken mit den Bogenbrücken. Von den 16 eingereichten Entwürfen erkannten die Preisrichter am 10.Januar 1895 dem, von der Gutehoffnungshütte in Oberhausen zusammen mit der Firma R. Schneider, Berlin, und dem Architekten Bruno Möhring, Berlin, ausgearbeiteten Entwurf den ersten Preis zu. Dieser Entwurf wurde mit geringen Änderungen in den Jahren 1896/98 von der Gutehoffnungshütte ausgeführt.

Die Brücke hatte eine große Mittelöffnung von 187,92 m Stützweite, 2 Seitenöffnungen von je 94,45 m Stützweite und die Rheinwerftöffnung mit einer Stützweite von 32,95 m. Außerdem schlossen sich rechtsrheinisch 4 je 15m weite Flutöffnungen an. Die Bogenträger der Seitenöffnungen lagen als Fachwerk-Zwickelträger unter der Fahrbahn. Der Bogen der Mittelöffnung, dessen Kämpfergelenke sich auf der gleichen Höhe wie die der Seitenöffnungen befanden, durchschnitt mit seinem Untergurt die Fahrbahn, während der Obergurt in Fahrbahnhöhe begann. Zur Mitte hin nahm die Systemhöhe des Bogenträgers ab. In allen 3 Öffnungen waren je zwei Hauptträger in 9m Abstand voneinander mit auskragenden Fußwegen vorhanden. Um zu vermeiden, daß der Schub des Bogens zum Teil in die Längsträgerstränge ging, hatte man bei der Bonner Brücke erstmals die Längsträger am Querträger des ersten über der Fahrbahn liegenden Untergurtknotens längsbeweglich gelagert und für eine entsprechende Beweglichkeit im Fahrbahn-Windverband gesorgt. Die Brücke wurde durch Wind- und Querverbände sorgfältig räumlich ausgesteift. Der Baustoff, basisches Siemens-Martin-Eisen, hatte folgende Bedingungen zu erfüllen: der Bereich der Zugfestigkeit und die Dehnung sollten in Längsrichtung 37 bis 44 Kp/mm2 und 20 %, in Querrichtung 36 bis 45 Kp/mm2 und 17% betragen.

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Bogenbrücke Bonn-Beuel

Die Grenzwerte der Stabkräfte waren aus den Einflußlinien des einfach statisch bestimmten Systems jeder Öffnung unter Berücksichtigung des Einflusses der Füllungsstäbe bestimmt worden. Bei den Gurtstäben ergab sich aus der zusätzlichen Biegebeanspruchung infolge der stetigen Krümmung der Gurtachse ein zusätzlicher Querschnittsbedarf von rd. 10 %. Der Einfluß der Temperatur sowie die Zusatzwirkung aus den Verbänden auf die Hauptträger waren gleichfalls schon in bie Berechnung einbezogen worden. Die äußerste Grenze der zulässigen Spannungen, die sich im Einzelfall jeweils aus dem Quotienten der Grenzstabkräfte ergaben, war bei Berücksichtigung aller Einflüsse auf 1425 Kp/cm2 festgelegt. Bei den Knickstäben war eine fünffache Sicherheit gegenüber der Eulerlast gefordert.

Im April 1896 begann man mit den Bauarbeiten zum Unterbau. Im Schutz von Fangedämmen, die mit zwei bis zu 9,0 m Tiefe in das Flußbett eingerammten Spundwänden die Baugrube umschlossen, wurden die beiden Strompfeiler gegründet und betoniert. Zur Vertiefung des Stromprofils mußten im ersten Baujahr rd. 80 000 m3 Kies durch Baggerung aus dem Flußbett entfernt werden. Im Frühjahr 1897 waren die Strompfeiler bis zur Höhe der Fahrbahn aufgemauert und der eiserne Überbau der Mittelöffnung war im Werk Sterkrade der Gutehoffnungshütte fertiggestellt. Daraufhin wurde die Mittelöffnung vollständig eingerüstet, wobei zwei Durchfahrtsöffnungen angeordnet wurden. Für den Einbau der Bogenteile standen zwei auf den äußersten Gerüstwänden laufende, von Hand fahrbare und mit zwei Handwinden von je 8,2 t ausgerüstete Bockkrane zur Verfügung. Zunächst wurden die Bogenzwickel an den Kämpfern bis zu den Portalen in den Knotenpunkten 2 eingebaut. Es folgte der Zusammenbau der ganzen Fahrbahn. Von den Portalen ausgehend, wurde dann der Bogenträger gleichmäßig zur Mitte hin mit Hängestangen, Querverbänden und Windverbänden montiert. Nachdem die Bogenträger durch Paßstücke geschlossen waren, wurde die an den Hängestangen angeschlossene Fahrbahn freigesetzt, so daß die durch Temperaturänderungen veranlaßten Bewegungen des Bogens nun ungehindert vor sich gehen konnten. Während bis zu diesem Zeitpunkt alle Baustellenverbindungen verschraubt bzw. verdornt waren, wurden nun die Bogenträger vernietet. Darauf setzte man die Bogenträger frei. Nun wurde die Last des Bogens auf die Kämpfer übertragen. Den Abschluß bildete die Vernietung der Fahrbahn und der Buckelbleche.

Im April 1898 wurden mit dem Rüstmaterial der Mittelöffnung die Seitenöffnungen eingerüstet und die Überbauten montiert. Vorher waren die beiden Landpfeiler errichtet worden und der Eisenbau für die Rheinwerftüberbrückung und die Seitenöffnungen hergestellt worden. In der Zwischenzeit waren die beiden Strompfeiler acht Monate lang dem einseitigen Schub des Mittelbogens ausgesetzt. Dabei verschob sich der Bonner Strompfeiler in Höhe der Fahrbahn um 17 mm; die Bewegung des Beueler Pfeilers war etwas geringer. Im Verlauf des Jahres wurden dann noch die Portaltürme und Wärterhäuschen auf den Strom- und Landpfeilern hergestellt. Am 8. Dezember 1898 wurde eine Probebelastung der Brücke vorgenommen und am 17. Dezember wurde sie feierlich dem Verkehr übergeben.

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Brückenkopf 1945

Das Brückenbauwerk war damals die weitest gespannte Bogenbrücke der Welt. Die Brücke ist nicht nur als ein Meisterstück deutscher Ingenieurkunst und deutschen Gewerbefleißes bemerkenswert, sondern auch die bildende Kunst ist an seiner Herstellung in einem Umfange beteiligt gewesen, wie niemals zuvor bei einer Eisenkonstruktion. Waren schon bei dem Entwurf künstlerische Gesichtspunkte maßgebend, so geschah bei der Ausführung alles, um das Bauwerk würdig in den Rahmen der Rheinlandschaft einzugliedern. Auf den Strompfeilern befanden sich Turmaufbauten, deren Baustil sich an den Romanischen anlehnte. Ähnlich waren auch die Zollhäuschen auf den Landpfeilern gestaltet.  Mit sehr großer Sorgfalt und Hingabe wurden Einzelheiten, besonders die Darstellungen auf den Kapitellen der Säulen, gestaltet. Bei der Ausschmückung der Eisenkonstruktion hatte der Künstler die schwere Aufgabe, die starren Formen, die der Ingenieur geschaffen hatte, zu beleben und zu umkleiden. Vor allem die Geländer waren in wirkungsvoller Weise verziert. Ihre rechteckigen Felder waren bei den drei Stromöffnungen durch schräge Stäbe mit rankenartigen Ansätzen gegliedert, die Ecken durch Blumen oder Früchte und Blätter, die ins Eisen getrieben waren, ausgefüllt worden. Unter dem Geländer lief ein aus Kupfer getriebenes Gesims. Die Konsolen waren durch eiserne Drachenfiguren verdeckt.

Am schwierigsten war es wohl für den Künstler, die breiten Flächen des steifen Rahmens im Knotenpunkt 2 durchzubilden. Diese Flächen waren mit durchbrochenen Bekleidungen bedeckt, die aus Eisenblech und zum Teil auch aus Kupfer getrieben und in kräftigen Farben bemalt wurden. Die Vorderseite des Beueler Portals ist im Scheitel durch das Bild eines Dampfers geschmückt worden. Daran schlossen sich die Abzeichen der Schiffahrt und des Weinbaus an. Leider hat dieses Brückenbauwerk den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt. Damit ist eines der schönsten Baudenkmäler der Ingenieurbaugeschichte in Nordrhein-Westfalen für immer verlorengegangen.

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Kennedybrücke Bonn-Beuel

Der Rat der Stadt Bonn verlor keine Zeit bei der Planung für den Ersatz des Rheinübergangs, die schon im August 1945 ins Auge gefaßt wurde, so daß im März 1946 die Pläne vorlagen, nach denen die beauftragten Unternehmen im September mit dem Bau begannen, der drei Jahre später vollendet war. Am 12. November 1949 wurde die neue Brücke eingeweiht. Die neue Balkenbrücke, die auf die alten Pfeiler aufgesetzt wurde, hatte eine Länge von 396m, 396 Metern, wovon auf den mittleren Bogen 195,8m und auf die beiden äußeren Halbbögen jeweils 99,2m entfallen. Die Breite von 18m verteilte sich über Fuß- und Radewege und eine zweispurige Fahrbahn. Obwohl an den Pfeilern und Außenmauern die Gestaltung mit rheinischer Basaltlava und fränkischem Muschelkalk von der alten Brücke übernommen wurde, war die neue Brücke im Vergleich zu jener ein mustergültiges Beispiel an Sachlichkeit. Auch bei der Umbenennung der Brücke vergingen übrigens nur zehn Tage nach dem Attentat auf John F. Kennedy, als die Brücke in Anwesenheit des Botschafters der USA dessen Namen erhielt.

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Brückenmännchen an der Kennedybrücke

Als man 2003 erhebliche Korrosionsschäden feststellte, entschloß man sich, die notwendige Sanierung der Brücke, die 2007 begann und 2011 abgeschlossen war, mit einer Verbreiterung von 18m auf 26,8m zu verbinden, wobei die Straßenbahn einen eigenen Gleiskörper zwischen den Fahrbahnen bekam. Wieder angebracht wurden auch in Nachbildungen die beiden traditionsreichen Figuren des Brückenmännchens und des Brückenweibchens auf der Beueler Seite. Das Brückenmännchen war eine Skulptur, die welche die Bonner am rechten Turm des Beueler Strompfeilers angebracht hatten. Sie zeigte mit dem nackten Hintern nach Beuel, weil die Bonner allein für den Bau der Brücke aufgekommen waren - was darauf zurückzuführen war, daß die Brücke nicht beim Beueler Zentrum weiter nördlich gebaut worden war. Die Beueler revanchierten sich mit einer keifenden Waschfrau, die am vom linken Turm den Bonnern mit einer Pantine droht. Ebenso wie die alte Brücke hatten auch die Figuren ein wechselhaftes Schicksal. Ein Wirt rettete das Männchen, das beim Aufräumen der Trümmer abgefallen war, und nahm es mit zu sich. Nachdem es mit seiner Partnerin im Karnevalszug von 1949 mitgeführt worden war, bekam es erneut einen Platz an der Brücke, nachdem der Bildhauer Jakobus Linden es restauriert hatte. Das Männchen, das jetzt nach Frankfurt zeigte, das die Hauptstadtwahl verloren hatte, wurde 1960 von Jugendlichen schwer beschädigt, sodaß eine Kopie angefertigt werden mußte, die nach der Restaurierung der Brücke dort wieder einen Platz erhielt.

 

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Brückenweibchen an der Kennedybrücke
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