Köln
 
Deutzer Brücke
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Deutzer Brücke vor 1945
Als niederrheinische Metropole des römischen Reichs war die Colonia Claudia Ara Agrippinensium mit ihrem rechtsrheinischen Castrum Divitia (Deutz) prädestiniert für einen festen Rheinübergang, der gleichwohl, 310 n.C. errichtet, spät in der Geschichte realisiert wurde. Die Kaiser Konstantin (275-337) gewidmete Brücke war eine auf 420 m Länge und 10 m Breite geschätzte Jochbrücke, deren Holzkonstruktion auf steinernen Strompfeilern ruhte, die noch lange nach ihrer Zerstörung bis ins 10. Jahrhundert sichtbar blieben. An ihre Stelle trat für viele Jahrhunderte eine Fliegende Brücke, eine Gierponte, die ihren stark beanspruchten Dienst versah, bis sie 1822 durch eine zu dieser Zeit gebräuchliche, auf 40 Nachen ruhende Schiffbrücke ersetzt wurde. Bis zur Fertigstellung der für die Eisenbahn und den Straßenverkehr bestimmten Dombrücke 1859 bildete sie die einzige stationäre Verbindung über den Strom, bis 1913-15 mit der Deutzer Brücke ein fester Übergang für den Straßenverkehr errichtet wurde.
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Schiffbrücke

"Die Vorbereitungen für den Bau dieser Rheinbrücke waren genau so groß wie die Anteilnahme der Öffentlichkeit und Bevölkerung an der Wettbewerbsentscheidung. Der erste Wettbewerb im Jahre 1898 für eine feste Brücke berücksichtigte nicht die schwierigen örtlichen Bebauungsverhältnisse und brachte kein durchführbares Ergebnis. Der zweite öffentlich ausgeschriebene Wettbewerb im Jahre 1911 führte zu einem lebhaften Meinungsaustausch in Tageszeitungen und technischen Zeitschriften, ob die Ausführung eines herausgestellten Entwurfes zweckmäßig sei. Da die vorgebrachten Einwände berechtigt schienen, entschloß sich die Stadtverwaltung im Jahre 1912 einen engeren Wettbewerb durchzuführen. Die hierzu aufgeforderten fünf Firmen arbeiteten 30 Entwürfe aus, die den allgemeinen Bedingungen der Ausschreibung entsprachen. Über den zur Ausführung gewählten Entwurf entbrannte der "Cölner Brückenstreit" zwischen zwei Wettbewerbsfirmen. Vielleicht auch aus diesem Grunde hing die Kölner Bevölkerung an dieser Brücke besonders.

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Deutzer Brücke von 1912

Der Ausführungsentwurf sah eine in sich verankerte Hängebrücke vor mit Stützweiten der Strombrücke von 92,23 - 184,46 - 92,23 m. Die Forderung nach Freihaltung der Bahn und des Ausblickes auf Strom und Ufer wurde dadurch erfüllt, daß der vollwandige Versteifungsträger gegenüber den anderen Entwürfen nur 1,10 - 1,20 m über die Fahrbahn ragte und außerhalb der Gehwege angeordnet war. Die gesamte Breite zwischen dem Hauptträger konnte so auch für die Straße mit 11,20 m und beidseitige Gehwege mit je 3,50 m Breite genutzt werden. Mit Rücksicht auf die Durchbiegung wurde die engste zulässige Pfeilerstellung gewählt und die Kette statt des Kabels angeordnet. Bei Vollbelastung der Mittelöffnung mit einer Verkehrslast von 450 kg/m2 betrug die Durchbiegung 33,7cm.

Als Material wurde erstmalig Nickelstahl verwendet, der die Zugfestigkeit des späteren St 52 erreichte. Durch eingehende Untersuchungen behandelte man auch die Frage, ob statischer Berechnungsansatz mit praktischem konstruktiven Verhalten übereinstimmten, wie z.B. ob bei Belastung eine Dehnung der Augenstäbe in den Gelenkbolzen überhaupt möglich wäre. Die Montage erfolgte in der für diese Brückenart erforderlichen Weise, und zwar wurde zunächst der Versteifungsträger in den Seitenöffnungen und einem Teil der Mittelöffnung auf Gerüsten oder Rüstträgern eingebaut und dann der mittlere Brückenteil im Freivorbau erstellt. So entstand ein Brückenbauwerk, welches als erstes klassisches Beispiel reiner, sauber gestalteter Stahlkonstruktion gelten konnte.

Von Januar 1939 bis September 1940 erfolgte eine Verbreiterung der Brücke durch beidseitig an den Versteifungsträger angeordnete, weit austragende Konsolen. Die Konsolen nahmen nun beidseitig einen Radweg von 2,00 m und einen Gehweg von je 3,30 m auf. Die Fahrbahn erhielt so eine neue nutzbare Breite von 16,50 m. Die gewölbten und bisher in Beton ausgeführten Uferüberbrückungen wurden durch Stahlüberbauten ersetzt. Die Verbreiterung benötigte 1442t St 52. An der Ausführung waren die Firmen MAN Werke Gustavsburg und Klöckner Humboldt AG Werk Köln-Kalk beteiligt.

Während der Instandsetzung infolge von Bombenschäden stürzte die Brücke am 28.2.1945 ein, viele Fußgänger und Fahrzeuge unter sich begrabend.

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Deutzer Brücke 1945

Die Pfeiler waren erhalten geblieben und auch die Widerlager und Rampen nur so beschädigt, daß eine Ausbesserung möglich war. So lag es nahe, die neue Brücke unter Verwendung der alten Unterbauten zu errichten. Zunächst sollte nur eine 7 m breite Fahrbahn genehmigt werden, die aber während der Ausführung bereits auf 11,5 m verbreitert wurde. Für den Entwurf waren von vornherein Tragwerke über der Fahrbahn ausgeschlossen, so daß nur eine Balkenbrücke in Frage kommen konnte. Obwohl eine Balkenbrücke unter der Fahrbahn ohne zusätzliche Pfeiler bei 184 m Stützweite mit weniger als 4,00 m Bauhöhe über dem Schiffahrtsprofil für undurchführbar gehalten wurde, schaffte man unter Verwendung neuer Konstruktionen und eines neuartigen Deckenbaues das Bauwerk in der notwendigen Form auszuführen. Die Brücke ist als durchlaufender Vollwandbalken mit stark veränderlichem Trägheitsmoment und torsionssteifem Kastenquerschnitt mit Leichtfahrbahn für die Stützweite von 132,134 - 184,450 - 120,728 m entworfen. Durch Wegfall der alten Uferpfeiler vergrößerten sich die Seitenöffnungen um 39,90 m bzw. 28,50 m Stützweite. Die durch das Schiffahrtsprofil sehr geringe Bauhöhe in der Hauptöffnung, konnte nur durch eine wesentliche Vergrößerung der Trägerhöhe im Pfeilerbereich eingehalten werden. Aus diesem Grunde und um eine Harmonie zwischen der gekrümmten Linie des Ober- und Untergurtes zu erzielen entstanden unterschiedliche Bauhöhen, so daß am linksrheinischen Endauflager 3,001 m, an den Pfeilerauflagern 7,800 m, in Brückenmitte 3,300 m und am rechtsrheinischen Endauflager 3,173 m Trägerhöhe war. Im Querschnitt ist das Tragesystem ein dreizelliger Hohlkasten, an dem beidseitig außen rd. 4,50 m weit ausladende Kragträger angeschlossen worden sind. Die 4 Hauptträger sind untereinander durch Querverbände verbunden und auf den Ober- und unter den Untergurten Deckbleche mit Längs- und Queraussteifung angeordnet, die statisch zum querschnitt des Hauptträger mit erfaßt worden sind. Die Kastenform ist durch Querverbände in größeren Abständen gesichert, so daß der Querschnitt als ein torsionssteifes Tragwerk angenommen wurde. Die Leichtfahrbahn mit 280 kg/m2 bestand aus einer 12 cm dicken unmittelbar befahrenen Stahlbetonplatte, die durch Rundstahlbewehrung schubfest mit dem Fahrbahnblech verankert war.

Bei der Spannungsermittlung für das Deckblech und den Längsträgern wurde der Belag zum mittragenden Querschnitt gerechnet, während für die Hauptträgerwirkung dieser Ansatz nicht erfolgte. Die Hauptträgerwirkungen auf den Beton wurden aber untersucht und es wurde entsprechend der statischen Annahmen konstruktive Maßnahmen getroffen.

Da die Montage der neuen Brücke mit der Räumung der zerstörten Brücke verbunden werden konnte und nur der mittlere Teil der Mittelöffnung für die Schiffahrt freizuhalten war, gestaltete sich der Aufbau verhältnismäßig einfach. Die für die Räumungsarbeiten benutzten fahrbaren Hubportale wurden zur Montage des Stahlüberbaus benutzt. Es konnten daher größere Teile des Trägers an Land zusammengebaut und fertig vernietet werden.

In der Mittelöffnung konnte mittels der Hubportale, wegen der begrenzten Länge der Laufbahnen, nur noch je ein Stück von 15 bzw. 45 m Länge vorgebaut werden. An der verbleibenden Lücke wurde auf übliche Weise in kleinen Stücken vorgebaut, von der einen Seite mit festem Derrick, auf der anderen Seite mit einem Schwimmkran. Das letzte Trägerstück wurde auf einem Ponton zusammengebaut, eingeschwommen und von den Trägerenden aus hochgehoben."

Prof.Dipl.-Ing. Hans-Fried Schierk, 100 Jahre feste Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen 1855-1955, pp.57ff
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Noch im April '45 setzten amerikanische Pioniere an die Stelle der zerstörten Deutzer Brücke die Pfähle für eine Pfahljochbrücke. Die sog. McNair Bridge (nach dem amerikanischen Genralleutnant Leslie J. McNair) wurde schon im September des folgenden Jahres wieder zugunsten des Neubaus abgerissen, der 1947 begann.  

Die neue Deutzer Brücke wurde nicht mehr in der ursprünglichen Form sondern als Kastenträgerbrücke errichtet. Dabei handelte es sich um die weltweite erste, von dem Bauingenieur Fritz Leonhardt konstruierte Brücke dieser Art, deren Linienführung die Handschrift des Kölner Architekten Gerd Lohmers trägt, der in den sechziger Jahren eine vergleichbare Brücke für Bonn (Konrad-Adenauer-Brücke) sowie  die neben der Deutzer Brücke errichtete Severinsbrücke entwerfen würde. Zur Schlichtheit der Form trug der Umstand bei, daß in den Jahren nach dem Krieg ein Rohstoffmangel herrschte, der jeden Architekten und Ingenieur dazu zwang, sich auf ein Mindestmaß an Materialeinsatz zu beschränken. Wie Walter Buschmann (Die Rheinmbrücken von Köln) schrieb: "Eine stahlsparende Leichtbauweise war damals im Rahmen der Kriegswirtschaft von höchstem Interesse. Da sich der Hohlkasten schlanker bauen lässt als die aus Einzelbalken zusammengesetzte Großbalkenbrücke, war eine wesentliche Materialeinsparung zu erwarten. Unter den Restriktionen der Nachkriegszeit wagte [Fritz] Leonhardt den Sprung. Mit seiner Konstruktion, die 3700 t Stahl erforderte, ließ sich die Vorgabe der Engländer fast einhalten. Schließlich wurde sogar die Wiederherstellung der alten Brückenbreite von 11,6 Metern zugestanden. Statt 8500 t der alten Hängebrücke wurde für die neue Konstruktion nur 5760 t Stahl verbraucht. Leonhardt selbst verwies in seiner Festschrift zum Wiederaufbau der Deutzer Brücke auf Stephensons Röhrenbrücke über Menai Straits (1847-50) als Vorläuferkonstruktion. Als Vorbild darf jedoch auch die alte Deutzer Brücke mit ihren kastenförmigen Versteifungsträgern gewertet werden."

In den Jahren 1976-80 wurde eine Erweiterung der Deutzer Brücke nötig, dabei entschied man sich, wie bei der Rodenkirchener Autobahnbrücke und bei der Hohenzollernbrücke für ein Parallelbauwerk, das jedoch als Spannbetonkonstruktion ausgeführt wurde. Das Gleisbett der Straßenbahn kam auf der jetzt 31,5m breiten Brücke gewissermaßen auf der Ritze zwischen den Richtungsfahrbahnen zu liegen. Für die Wahl des Materials waren weniger technische Gründe ausschlaggebend als der Umstand, daß die Betonversion zwei Millionen günstiger war. Außen wurde der Beton des Brückenkörpers mit Rippen versehen, um ihn der Ästhetik der Stahlbrücke ein wenig anzugleichen. Dabei ging man nicht so weit, den stromaufwärts liegenden Bau ebenfalls im für die Kölner Brücken typischen Kölner Brückengrün zu streichen, das für Beton keinen Nutzen hat. Das Brückengrün geht auf einen Wunsch des ehemaligen Oberbürgermeisters und späteren Bundeskanzlers Adenauer zurück, der sich 1929 für die Mülheimer Brücke einen 'patina-grünen Anstrich' vorstellte, der von der Fa. Bayer geliefert wurde und durch ein Chromoxidpigment erzielt wird, das sich als besonders wetterfest erwiesen hat. Vorschläge, Kölner Brücken anders zu streichen, wurden stets zurückgewiesen. Allerdings bezieht sich diese Tradition nur auf die Brücken der Stadt Köln, weshalb die Brücken der Deutschen Bahn in dem für sie typischen Anthrazit-Schwarz gehalten sind.

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Deutzer Brücke

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