Köln
 
Mülheimer Brücke
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Mülheimer Brücke

Als Ersatz für die 1888 errichtete Schiffsbrücke und als bessere Verbindung des 1911 eingemeindeten rechtsrheinischen Mülheims mit dem nördlichen Stadtteil Kölns beschloß die Kölner Stadtverordnetenversanrmlung im Jahre 1926, die bereits 1911 geplante Rheinbrücke zu bauen. Für die bauliche und künstlerische Gestaltung waren den Bewerbern von der Stadtverwaltung sorgfältig ausgearbeitete Unterlagen zur Verfügung gestellt worden. Die Strombauverwaltung verlangte eine Hauptschiffahrtsöffnung von 200 m auf der Mülheimer Seite und einen ausreichenden linksrheinischen Hochwasserabfluß. Die mannigfaltigen Lösungen, Bauarten und Gestaltungen der eingereichten Entwürfe zeigten einen Querschnitt der damaligen Brückenbautechnik und Möglichkeiten.

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Mülheimer Schiffbrücke

Die Entscheidung fiel auf eine in sich verankerte Kabelhängebrücke, die mit einer mittleren Stromöffnung von 315 m damals die weitestgespannte Brücke des Kontinents war. Die Einordnung des Bauwerkes ins Stadtbild, die Freihaltung des Lichtraumes von zur Brücke senkrecht verlaufenden Strahlen und die lichte Durchfahrtshöhe der Schiffahrt bestimmten wesentlich die Ausführung. Im Brückenquerschnitt waren Verkehrsraum für die Stadtschnellbahnen, Straße, Rad- und Fußgängerverkehr vorgesehen, so daß sich die Brückenbreite zwischen den Geländern zu 30,55 m ergab. An die Strombrücke mit 91,03 - 315,00 - 91,03 m Stützweite schließen sich linksrheinisch zwei Flutbrücken mit je 52,10 m und jenseits des Hochwasserdeiches die Vorlandbrücken mit zwei geraden Öffnungen von je 23,20 m und zwei schiefe Öffnungen i.M. 22,04 m und 26,01 m Stützweite an. Die statische Berechnung wurde nach den einschlägigen Vorschriften aufgestellt und wies keine Besonderheiten auf. Bei der Erstellung der Unterbauten für die Strombrücke mußten die aussergewöhnlich hohen Druckkräfte bei beiden Pylonenfüße (16814 Mp) und die in den Ankerpfeilern (Widerlager) auftretenden Zugkräfte beachtet werden. Durch die gewählten Abmessungen, das verwendete Material und die Anordnung von Ballastbeton in die Stahlkonstruktion konnten diese Kräfte aufgenommen werden.

Die Besonderheiten der Stahlkonstruktion [...] sind in der aufgeführten Literatur eingehend beschrieben. Bei der Werkstattbearbeitung stellten die Herstellung der Tragkabel, Kabelschellen, Umlenk- und Sattellager und der Gelenke besondere Anforderungen an Einrichtungen und Bearbeitung. Im Gegensatz zu der normalen Hängebrückenmontage mußten zunächst der Versteifungsträger, die Fahrbahn und Verbände montiert werden, bevor die Montage der Pylonen und Aufhängung durchgeführt werden konnte. Der Zusammenbau des Versteifungsträgers geschah in den Seitenöffnungen und den seitlichen Dritteln der Mittelöffnung auf hölzernen Rüstungen. Anschließend wurde die restliche Öffnung von rd. 104 m Länge von beiden Seiten frei vorgebaut. Die Pylonen wurden von stählernen Gerüsten aus montiert und die Seile, Schellen und Hängestangen angebracht. Zwecks Verbindung der Hängestangen mit dem Versteifungsträger wurden diese zunächst überhöht montiert und später abgesenkt.

Trotz Behinderung der Montage durch Hochwasser, Streik und lang anhaltender Frost im Anfang des Jahres 1929 konnte das Bauwerk 28 Monate nach Auftragserteilung dem Verkehr übergeben werden.

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Mülheimer Brücke 1945

Der Wiederaufbau der Köln-Mülheimer Brücke in den Jahren 1949 - 1951 war dadurch festgelegt, daß die Rampen und große Teile der Widerlager und Pfeiler des alten Bauwerkes noch vorhanden waren. Die Wettbewerbsbedingungen sahen keine Einschränkungen hinsichtlich der Systemgestaltung vor. Es war bezweckt, den Brückenbaufirmen bei diesem ersten großen Nachkriegswettbewerb die Möglichkeit zu geben, nach ihrer freien Wahl alle möglichen Systeme anzubieten. Die eingereichten Entwürfe enthielten viele neuartige und beachtliche Vorschläge. Eine erneute Überarbeitung eines Hängebrückenentwurfs durch eine Bietergemeinschaft führte zur Ausführung einer erdverankerten Hängebrücke.

Das neue Bauwerk zeigte die wesentlichen Fortschritte im Großbrückenbau. Der entscheidenste war die Ausbildung der Fahrbahnkonstruktion als orthotrope Platte. Sie bot die Möglichkeit zu erheblichen Materialeinsparungen. Es würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen, die Bedeutung der theoretischen Berechnungsmethode der orthotropen Platte als Wendepunkt in der Entwicklung der Statik, den wirtschaftlichen Vorteil dieser Fahrbahn im Großbrückenbau in der Verminderung des Eigengewichtes oder die in Zusammenhang mit der orthotropen Platte stehende Entwicklung von Fahrbahnbelägen geringerer Dicke auszuführen. An der Schwelle dieses neuen Entwicklungsabschnittes in Großbrückenbau steht die Köln-Mülheimer Brücke. Die Festschrift beschäftigte sich in einer Anzahl von Aufsätzen mit diesen Problemen und ihrer Lösung in Theorie und durch den Versuch.

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Mülheimer Brücke - Wiederaufbau 1951

Der Gesamtquerschnitt der Brücke ist ein [nach unten offenes, u]-förmiges Flächentragwerk aus Fahrbahn und Versteifungsträger zusammengesetzt und durch verschiedene Belastungen beansprucht. Im Fahrbahnblech überlagern sich z.B. die Wirkungen aus unmittelbarer Belastung und aus Verkehrs- und Windlast als Querschnittsteil der Längs- und Querrippen und des Versteifungsträgers. Der Materialeinsatz erfolgt entsprechend dem Spannungsverlauf, so ist der Versteifungsträger im oberen Stegblechteil aus Material St 37 und im unteren Drittel aus ST 52 hergestellt. Die Durchdringungen von Versteifungsträger und Pylonenträger, der über Konsole und Pendelstütze die Stützkraft des Versteifungsträgers auf den Pfeiler zu übertragen hat, war auch mit Rücksicht auf die Montage, eine interessante konstruktive Aufgabe. Für die Montage auf und von beiden Rheinseiten wurde eine Vielzahl von Geräten und Vorrichtungen eingesetzt. Die Montage der Brücke erfolgte in der Reihenfolge, Aufstellung der beiden Pylone, Montage des Hilfssteges und der beiden Seitenöffnungen auf festen Gerüsten, Tragkabel und Schellenmontage und Montage der Mittelöffnung. Mit der Ballastierung, Ausrichten der Brücke und den Abschlußarbeiten wurde der Bau der Strombrücke vollendet.

An der Flut- und Deichbrücke waren die Kriegsschäden zu beseitigen und entsprechend der höheren Belastung die Verstärkung der Konstruktion durchzuführen. Außer einem durch Sprengung verursachtem größeren Schaden wies die Konstruktion nur eine große Anzahl von Durchschlagstellen auf. Durch Verblenden mit Deckblechen und sauberer Bearbeitung der Löcher wurden diese Schäden behoben. Der große Schaden wurde durch Einbau neuer Teile beseitigt. Die Nachrechnung mit den neuen Lastannahmen ergab, daß in der Hauptsache nur die Längsträger verstärkt werden mußten. Da im stromseitigen Teil der Flutbrücke die vorhandene alte Fahrbahn zerstört war, entschied man sich für eine neue Stahlbetonfahrbahn, die in Verbund mit den Längsträgern die notwendige Verstärkung brachte. Die Anordnung des weit ausladenden Stahlbetonkragarmes (Tornister) am linksrheinischen Verankerungspfeiler verursachte einige Änderungen des statischen Auflagers der Flutbrücke, ohne jedoch das optische Bild des Brückenzuges an dieser Stelle zu stören. Die Gegenüberstellung des Stahlverbrauches der alten Brücke und der neuen Brücke einerseits und der Umfang der statischen Berechnung und Konstruktion andererseits ist bezeichnend für den Wandel des Brückenbaues innerhalb von 22 Jahren."

Prof.Dipl.-Ing. Hans-Fried Schierk, 100 Jahre feste Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen 1855-1955, pp.57ff
1976/77 bekam die neue Mülheimer Brücke, die nach einen Entwurf von Wilhelm Riphahn - unter Beratung durch Fritz Leonhardt, der für die technischen Neuerungen verantwortlich war - wiederaufgebaut worden war, ein separates Gleisbett für die Straßen- bzw. U-Bahn. Anfang des neuen Jahrtausends waren die Spuren der Beanspruchung und der Korrosion auch äußerlich unübersehbar, eine Generalsanierung aller Teile unvermeidlich. Neben der Verstärkung der Strombrücke, dem Austausch der Hängeseile und anderer, normaler Instandsetzungsarbeiten, fasste man bei der Gelegenheit auch den Neubau und die Neugestaltung der rechtsrheinischen Rampe als Anbindung der Brücke an das Mülheimer Zentrum und den rechtsrheinischen Ring ins Auge. Nachdem die Arbeiten aufgrund anderer dringender Sanierungsarbeiten immer wieder aufgeschoben wurden, begannen sie endlich mit umfangreichen Vorbereitungen Ende 2018 mit einem im Jahr 2019 für Köln typischen unabsehbaren Ende.
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