Düsseldorf
 
Josef-Kardinal-Frings-Brücke
riss
Straßenbrücke Neuss-Hamm

Bereits vor dem ersten Weltkrieg bestanden Projekte, eine zweite feste Straßenbrücke bei Düsseldorf über den Rhein zu bauen. Beim Umbau der alten Eisenbahnbrücke bei Hamm planten die Städte Düsseldorf und Neuß an dieser Stelle auch eine Brücke für den allgemeinen Verkehr zu errichten. Die wachsende Bedeutung der Stadt Düsseldorf als Sitz großer industrieller Verbände, die lebhafte Verkehrssteigerung und die immer enger werdenden Verkehrsbeziehungen zwischen Düsseldorf und Neuß forderten immer dringlicher eine Lösung. Gleichzeitig mit den Verbreiterungsarbeiten an der Oberkasseler Brücke wurden die Vorarbeiten für den Bau einer neuen Brücke durchgeführt. Die Lage für die Finanzierung des Bauwerkes war gerade in dieser Zeit verhältnismäßig günstig. Der Gesellschaftsvertrag zwischen den Städten Düsseldorf und Neuß und der Rheinischen Bahngesellschaft ermächtigte die Bahngesellschaft, die weiteren Vorarbeiten durchzuführen.

Nach eingehender Prüfung der Gelände- und Stromverhältnisse sowie der Schiffahrtsbelange wurde nach Übereinkunft mit der Stadt Neuß die Lage der neuen Brücke kurz unterhalb der starken Rheinkrümmung bei Grimlinghausen gewählt. Die unsymmetrische Lage des Hauptfahrwassers zum Strom und die notwendige volle Überspannung bedingten eine Hauptöffnung der Strombrücke von rd. 200 m, der rechtsrheinisch eine Nebenöffnung über Wasser von rd. 100 m folgt. Die äußere Wirkung und Forderungen der Strombaubehörde bestimmten die übrige Brückenaufteilung bis zu den Banndeichen. Zur Verbesserung des Hochwasserabflusses erhielten einige Pfeiler eine zur Brückenachse um 77° gedrehte Stellung. Somit ergibt sich die auf der Brückenkarte dargestellte Längsaufteilung der Gesamtbrücke.

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Straßenbrücke Neuss-Hamm

Die Querschnittseinteilung der Brücke wurde festgelegt und die in die engere Wahl kommenden Hauptträgersysteme entworfen. Nach eingehenden wirtschaftlichen Untersuchungen und ästhetischen Vergleichen zwischen den in Vorschlag gebrachten Grundsystemen des Fachwerkbalken, Fachwerkbogen und Hängenbrückensystems entschied man sich für den Fachwerkbalken. Das endgültige Ausführungssystem wurde unter Mitwirkung eines architektonischen Beraters entwickelt. Die geologischen Verhältnisse an den Pfeilerstandorten wurden durch Probebohrungen ermittelt. Als Gründungsverfahren verwendete man zum Teil Senkkastengründung mit Druckluft und zum Teil offene Baugruben mit hölzerner Spundwandumschließung. Die Entwürfe und Berechnungen der einzelnen Pfeiler sind von den beteiligten Tiefbaufirmen aufgestellt worden.

Die Höhenlage der Fahrbahn bestimmte die lichte Durchfahrthöhe in der Stromöffnung und an den beiderseitigen Deichen. Das statische System der Hauptträger war so ausgebildet, daß ein oberer Windverband entbehrt werden konnte. Die Seitensteifigkeit des Obergurtes und die Ableitung der auf den Obergurt wirkenden Seitenkräfte wurden durch steife Halbrahmen erreicht, die aus den Querträgern und den Vertikalen gebildet sind.

Das Material für die Überbauten bestand aus einem hochsiliziertem Baustahl mit 1% Si. Dieser Stahl zeigte bei größeren Winkelprofilen, dickeren Breitflachstählen und Blechen Oberflächenfehler und verminderte Steckgrenzenwerte. Durch Verringerung des Si-Gehaltes und Zusätze von Chrom und Kupfer befreite man den Siliziumstahl von seinen Mängeln. Beträchtliche Mengen dieses Stahls waren in der Brückenkonstruktion eingebaut.

Die Berechnungsgrundlagen waren die Vorschriften der Deutschen Reichsbahngesellschaft von 1925, die Lastannahmen nach DIN 1072 und die Stoßziffern entsprechend der späteren DIN 1073.

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Straßenbrücke Neuss-Hamm

Die Festigkeitsberechnung zeigte keine Besonderheiten und Schwierigkeiten auf. An der Werkstattfertigung beteiligten sich die aufgeführten Stahlbaufirmen. Die Arbeiten an den Pfeilern und Widerlagern führten mehrere Tiefbaufirmen durch, um möglichst viele Arbeitslose gleichzeitig einstellen und beschäftigen zu können. Die Unterbauten konnten ohne große Verzögerung fristgemäß durchgeführt werden. Die Montage der Stahlüberbauten erfolgte hauptsächlich auf festen Rüstungen. Nur für die Schiffahrt wurden im Bereich der Hauptstromöffnung zwei Fahrrinnen im Freivorbau überbrückt. Auch diese Arbeiten wurden fristgemäß ausgeführt, so daß die Brücke am 12. Oktober 1929 eingeweiht und dem Verkehr übergeben werden konnte.

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Südbrücke 1945

Bei der Zerstörung im Jahre 1945 sind die Pfeiler und Widerlager mit Ausnahme eines Strom- und Vorlandpfeilers und die Deich- und Flutbrücken erhalten geblieben. Die stählernen Überbauten der Vorlandbrücken konnten instand gesetzt, geändert und wieder verwendet werden. Die Strombrücke über die drei Öffnungen von 103 + 206 + 103 m mußten neu erstellt werden.

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Südbrücke 1951

Die Stadtverwaltung beschloß den Rheinübergang in voller Breite und mit den alten Stützweiten wiederherzustellen. Die Anschlüsse an die vorhandenen Vorlandbrücken, die Höhenlage der Fahrbahn, die Gradiente und das freizuhaltende Schiffahrtsprofil waren gegeben. Der aufgrund von Voruntersuchungen ausgearbeitete Verwaltungsentwurf sah als mögliche und wirtschaftliche Lösung eine Deckbrücke in Hohlkastenbauart vor. Die öffentliche Ausschreibung bewies, daß trotz einiger Sonderentwürfe der verwaltungsseitige Entwurf mit einigen vorgeschlagenen Änderungen die zur Ausführung geeigneteste Lösung darstellte.

Im ursprünglich vorgesehenen dreizelligen Hohlkastenquerschnitt fiel der obere und untere Torsionsverband zwischen den beiden äußeren Hohlkastenzellen weg. Die beiden äußeren Hohlkastenzellen wurden in sich verwindungssteif ausgebildet und durch Anordnung von 3 vollwandigen Querscheiben in der Mittelöffnung und je 2 in den Seitenöffnungen ein Zusammenwirken der beiden Hohlkästen erreicht. Weitere Materialeinsparungen und Vereinfachungen wurden durch die Anwendung automatischer Schweißverfahren, Herstellung großer Werkstatteile und weitere konstruktive Einzelheiten gegenüber dem Verwaltungsentwurf erzielt.

Aufgrund seiner ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften und der guten Schweißarbeit entschloß man sich einen neu entwickelten Baustahl mit der Bezeichnung St 50 mit erhöhter Streckgrenze (m.e.S.) einzusetzen.

Die statische Berechnung mußte entsprechend dem Bauvorgang für das Eigengewicht der Stahlkonstruktion als Gerberträger mit 2 Gelenken in der Nähe des Brückenscheitels und für die restlichen Lasten als Durchlaufträger auf 4 Stützen mit stark veränderlichem Trägheitsmoment aufgestellt werden. Die Fahrbahnplatte wurde als Kreuzträgerrostplatte mit 7,50 m gleich dem Abstand der Stegbleche gerechnet. Besondere Sorgfalt wurde auf die Berechnung der Steifen des Haupttragwerkes verwendet.

Das Haupttragwerk der Brücke bildeten die beiden unter der Fahrbahn angeordneten Kästen von je 7,50 m Breite und zwei 3,11 m breite Streifen der Gehwegplatten. Die leichten Fachwerkverbände im Kasteninnern und die starren Vollwandquerscheiben zwischen den Kästen steifen das gesamte System aus und bewirken eine gleichmäßigere Lastübernahme. Die Werkstattarbeiten wurden zwischen den Ausführungsfirmen abgestimmt und insbesondere Zusammenbau und Schweißfolge festgelegt, um die Schrumpfspannungen im Bauwerk möglichst klein zu halten und die Paßgenauigkeit bei der Montage zu gewährleisten.

Die ungewöhnlich großen und schweren Bauteile erforderten auf der Baustelle besondere Hubgeräte. Zunächst wurden die beiden Seitenöffnungen zum großen Teil auf je drei Hilfsjochen montiert, wobei die Teile in der Reihenfolge äußere Kastenwände, innere Kastenwände, Bodenplatte und obere Deckplatte zusammengebaut, ausgerichtet und vernietet wurden. Die restlichen Brückenteile der Seitenöffnungen und die Mittelöffnung wurden im Freivorbau montiert und anschließend mit dem Einbau des Paßstückes die Brücke geschlossen.

Durch die Anwendung der neuesten Erkenntnisse der Statik und Stabilitätstheorie, der Schweißtechnik und der Werkstoffforschung stellte diese in kurzer Zeit erstellte Rheinbrücke für seine Zeit ein kühnes und markantes Beispiel des modernen Brückenbaues dar."

Prof.Dipl.-Ing. Hans-Fried Schierk, 100 Jahre feste Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen 1855-1955, pp.57ff

In Erinnerung an den volkstümlichen rheinischen Kirchenvater, den in Neuss geborenen Erzbischof Frings erhielt sie 2006 den Namen Josef-Kardinal-Frings-Brücke.

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