Düsseldorf
 
Eisenbahnbrücke Neuss-Hamm
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Eisenbahnbrücke Neuss-Hamm (1868-70)

"Zur Verbindung der rechtsrheinischen Bergisch-Märkischen- und der linksrheinischen Aachen-Düsseldorfer-Eisenbahnlinie erwogen die beiden Städte Düsseldorf und Neuß und die beiden Eisenbahnlinien bereits 1861 den Bau einer Rheinbrücke bei Düsseldorf. Nachdem die Militärverwaltung zunächst grundsätzliche Bedenken gegen einen Brückenbau ohne Festungsschutz geltend gemacht hatte, genehmigte sie 1867 den Bau mit den Auflagen, daß an die Stromöffnungen linksrheinisch eine Drehbrücke, rechtsrheinisch eine Zugbrücke und in den Pfeilern Sprengminen eingebaut werden müßten. Ferner sollte zur Sicherung gegen einen Handstreich ein Sperrfort mit zwei Kuppeltürmen angelegt werden. Die Bestätigung durch die Rheinuferstaaten erfolgte Ende 1867.

Die Verbindungsbahn sollte vom alten Düsseldorfer Bahnhof am Rhein entlang kommend, diesen in rechtwinkliger Richtung überqueren. Unter Beachtung der erforderlichen Schiffahrtsöffnung ordnete man 4 Öffnungen von je 100 m lichter Weite für die Strombrücke und weitere 17 Öffnungen von je 18 m lichter Weite für die Flutbrücken an. Die Unterkante der Überbauten sollte nach den damaligen Bestimmungen 15,6 m über dem Pegel O liegen.

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Pfeiler

Nach umfangreichen Regulierungen des Stromes und des Vorlandes wurde im Mai 1868 mit den Gründungsarbeiten für die Strompfeiler begonnen.  Die beiden ersten Strompfeiler lagen in der Nähe der Stromrinne. Bei einem mittleren Wasserstand von + 3,0 m über dem Pegel O betrug die Wassertiefe des Rheins ungefähr 10 m. Der Baugrund bestand oben aus Kies und Geröll, darunter folgte eine feste Kiesmasse, eine dicke Sandschicht und zum Schluß feiner Mergelsand. Die Pfeiler mußten deshalb mindestens 14-15 m unter der Wasseroberfläche gegründet werden. Die große Gründungstiefe erforderte bei den 2 Strompfeilern ein besonderes Gründungsverfahren. Für jeden Pfeiler wurden 2 eiserne Senkglocken mit einem Durchmesser von 5,16 m und einem Mittenabstand von 9,55 m versenkt. In den Senkglocken waren Luftschleusen eingebaut worden, durch die die Arbeiter und das Baumaterial hindurchgebracht werden konnte. Anfang September 1868 war die erforderliche Tiefe erreicht, so daß die Arbeiten im Inneren der Glocken beginnen konnten. Die Senkglocken wurden unten mit einer Betonschicht und Mauerwerk ausgefüllt. Der Raum zwischen den Glocken wurde auch betoniert.  Die Pfeilerschäfte wurden anschließend bis in Höhe der Auflagerbänke in Ziegelsteinen gemauert und mit einer Werksteinverkleidung versehen. Alle anderen Pfeiler wurden in offener Baugrube hergestellt. Um Unterspülungen der Strompfeiler zu vermeiden wurden Steinpackungen angebracht. Die Flutöffnungen wurden wie die Pfeiler in Ziegelmauerwerk mit Natursteinverkleidung ausgeführt. Im Frühjahr 1869 war die Arbeit am gesamten Unterbau abgeschlossen.

Aufriss
Brückenbogen (Ausschnitt)

Für die stählernen Überbauten wurde ein dreiteiliges Ständerfachwerk mit einer Stützweite von 105,92 m und mit kreisförmig gekrümmtem Obergurt gewählt. Die Abmessungen und die Anordnung der einzelnen Tragglieder ergaben sich aus der Materialfestigkeit und der Erkenntnis von dem Kraftverlauf bei beweglichen Lasten. Die einzelnen Überbauten wurden besonders gegen horizontal angreifende Kräfte gesichert.

Wegen der großen Stromgeschwindigkeit an der Baustelle, der Höhe der Strompfeiler und um die Schiffahrt nicht zu behindern, erfogte die Montage der Stromüberbauten auf Rüstungen. Sie wurde nacheinander für jeden Überbau einzeln durchgeführt. Anfang November 1869 hatte man die erste, dritte und vierte Öffnung überbrückt, als dann bei der Aufstellung des zweiten Überbaus ein Unglück geschah.

Um die Schiffe bei hohem Wasserstand durch die bereits fertigen linksrheinischen Brückenbogen zu lotsen, hatte die Eisenbahndirektion das Dampfboot "Delphin" bereitgestellt. Am 20. November 1869 hatte der Kapitän des Lotsenschiffes bereits ein Floß im Schlepp, als sich ein mit 14 000 Pfund Eisenstein beladenes Schiff der Brücke näherte. Die beim Brückenbau beschäftigten Arbeiter hatten von einer ihnen selbst drohenden Gefahr keine Ahnung. Sie drängten sich an die Brüstung des Gerüstes, um die verzweifelten Versuche des Steuermanns zu beobachten, der in seiner Not Anker warf und dadurch das Schiff noch manövrierunfähiger machte. Es prallte gegen die Holzrüstung des zweiten noch im Bau befindlichen Brückenbogens. Was dann geschah, schildert die "Illustrirte Zeitung" vom 18. Dezember 1869: 'Dann stürzte das kolossale Gerüst mit den darauf über ein Viertel bereits fertiggestellten von Harckort in Haspe angefertigten Eisenwerken unter einem furchtbaren Gekrache zusammen, das nur von dem durchdringenden Jammergeschrei von geretteten und verunglückenden Personen übertönt wurde, und einen Augenblick später waren die Menschen mitsamt ihrer monatelangen Arbeit den reißenden Fluten des dort ungefähr 26 Fuß tiefen Rheins überantwortet.'

Dieser schwarze Tag in der Brückenbaugeschichte am Rhein forderte 18 Tote und 14 Schwerverletzte.

Da es bald Winter wurde und heftige Regenfälle den Rhein stark anschwellen lieRen, stellte man die Arbeiten an der Unglücksstelle ein. Erst im April des nächsten Jahres begann man mit allen Kräften an der Fertigstellung der zweiten Öffnung. Nachdem auch der übrige Teil der Bahnlinie fertiggestellt worden war, konnten am 24. Juli 1870 die ersten Militärzüge über die Brücke rollen."

Prof.Dipl.-Ing. Hans-Fried Schierk, 100 Jahre feste Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen 1855-1955, pp.57ff
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nach der Erweiterung 1912

Der „Deutsche Bogen“ ist eine charakteristische Erscheinung der deutschen Stahlbau- und Brückenbaukunst. Die immer weiter werdenden Öffnungen für die Schifffahrt und die dadurch bedingten größeren Spannweiten bei geringer Höhe, forderten Konstruktionen oberhalb der Fahrbahnen. So entstanden die Bogen mit abgehängter Fahrbahn.

Der hier [im Zusammenhang mit der Hohenzollernbrücke, Köln] beschriebene Bogentyp fand in Deutschland weite Verbreitung und ist aus Wettbewerben für Brücken, wie zum Beispiel für die Eisenbahnbrücke bei Worms (1898-1900), hervorgegangen. Die Konstruktion besteht aus Zweigelenkbogen mit einfachem Ständerfachwerk und zur Mitte hin fallenden Streben. Die Gurtungen weisen zum Ende hin den größten Abstand auf. Die Fahrbahn, die als Zugband funktionierte, wird an schmalen senkrechten Stahlprofilen abgehängt.

Die zur Mitte hin abnehmenden Abstände der Gurtungen, die senkrechten Abschlüsse am Ende des Trägers und die fallenden Streben sind die wesentlichen Merkmale dieses Tragwerksystems.

Zurückführen kann man das Prinzip der Konstruktion des „Deutschen Bogens“ auf den „Langerschen Balken“ (Stabbogenbrücke). Dieses Tragwerk, das aus einem unten liegenden Balken besteht in dessen Enden ein Bogen verankert ist, wurde 1859 von Josef Langer in Wien patentiert. Schon 1841 wurde von Squire Wipple in den USA der erste Bogen-Sehnen-Träger aus Holz und Gusseisen konstruiert und patentiert. (Rheinische Industriekultur, Objektführer Köln)

Steigendes Verkehrsaufkommen machte die Erweiterung auch dieses Rheinübergangs notwendig. Die neue, 1909-11 stromaufwärts errichtete  Brücke wurde nicht unmittelbar neben die alte gesetzt und auch nicht mit dieser verbunden. Sie erhielt größere Türme, allerdings ohne die Anmutung einer Festungsarchitektur mit Zinnen. Nach der Fertigstellung der neuen Brücke erhielt die alte Brücke gleichartige, nach dem Modell des 'Deutschen Bogens' konstruierte Überbauten.

Wie viele andere Brücken wurde auch diese im März 1945 von der Wehrmacht auf dem Rückzug gesprengt, um den Vormarsch der anrückenden alliierten Truppen zu behindern, die im Juli des folgenden Jahres eine behelfsmäßige Brücke aus SKR-(Stahlfachwerk)-Brückengerät hergerichtet. Auf den Wiederaufbau der Südbrücke wurde verzichtet. Die alte Brücke war, wie an anderen Orten am Rhein bis zum Bau einer neuen Brücke1984-87 in Betrieb.

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   Eisenbahnbrücke 1987
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   Eisenbahnbrücke 1987

Der S-Bahn-Ausbau in der Region machte einen Neubau unumgänglich. Dabei entschied man sich für den außergewöhnlichen Bau einer insgesamt 814 m langen Brücke, die an die Stelle der alten Südbrücke gesetzt wurde und zwei asymmetrische Stromfelder aufweist. Der Fachwerk-Versteifungsträger, der die Stabbogenbrücke mit einer Spannweite von 250 m unterstützt, überspannt ein zweites Feld über 135 m, wobei zwei Gleise innerhalb des Fachwerkkastens geführt werden, während je ein Gleis außerhalb an den Seiten verläuft. Nach Fertigstellung der neuen Brücke, die zur Zeit ihrer Errichtung die Eisenbahnbrücke mit der größten Spannweite in Deutschland war, wurde die alte bis auf die Festungstürme des linksrheinischen Brückenkopfs abgerissen.

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Brückenkopf
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