Duisburg
 
Baerler Eisenbahnbrücke
aufriss
Baerler (Haus Knipp) Eisenbahnbrücke

"Den außerordentlich starken Eisenbahnverkehr vom Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet auf die linke Rheinseite konnte die Hochfelderbrücke nicht mehr bewältigen. So wurde im Zuge einer neuen zweigleisigen Eisenbahnlinie 4 km unterhalb Ruhrort eine Rheinbrücke geplant. Die Reede der Ruhrorter Häfen und die Längenentwicklung eines Verschiebebahnhofes auf dem rechten Rheinufer bestimmten die Lage der Brücke. Die Lage der Schiffahrtsrinne und die Schiffahrt selbst bestimmten die Anordnung des linken, mittleren und rechten Strompfeilers. Neben der aus optischen Gründen symmetrisch erweiterten Brücke forderte die Rheinstrombauverwaltung auf dem linken Rheinufer noch weitere 3 Öffnungen von rd. 38 m Lichtweite und rechtsrheinisch 9 Öffnungen mit der gleichen Lichtweite. So ergab sich ein Aufbau für den gesamten Überbau von 42,2 - 42,2 - 42,67 - 108,15 - 186,0 - 108,15 - 42,67 - 8x 42,2 m Stützweite. Da die Anordnung eines Längsgefälles für die Bahntrasse möglich war, konnte im Bereich der Vorlandbrücke die Fahrbahn obenliegend angeordnet werden. Um die erforderliche Durchfahrtshöhe einzuhalten, mußte im Bereich der Strombrücke eine Konstruktion mit untenliegender Fahrbahn vorgesehen werden. Für den Entwurf war auch zu beachten, daß für die Überbauten ein statisch bestimmtes System (Bodensenkungen) und eine in die flache Landschaft passende Ausführung gewählt wurde. Für die Vorlandbrücken ergaben sich unter diesen Umständen nur ein parallelgurtiger Fachwerkträger mit obenliegender Fahrbahn. Für die 3 Stromöffnungen wurden von namhaften Wissenschaftlern und Praktikern Vorschläge gemacht, von denen 2 Ausführungsformen in die engere Wahl gezogen wurden.

Um einen Vergleich zu ermöglichen, wurden beide Entwürfe durchgearbeitet. Trotzdem das Gewicht des Auslegeträgers geringer war als das des Balkenträgers, entschied man sich für die Ausführung des Balkenträgers.

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Baerler Brücke - Landpfeiler

Nach eingehender Untersuchung des Baugrundes und Vermessung der Brückenachse und Pfeilerlage wurden die Entwurfsarbeiten begonnen.

Die Gründung der Vorlandunterbauten wurden in offener Baugrube ausgeführt. Bei einer erforderlichen Gründungstiefe von 7,0 - 8,18 m kam für die Strompfeiler nur eine Senkkastengründung mit Druckluft in Frage. Die Vorlandpfeiler waren für 2 Gleise ausgeführt, die Pfeiler der Stromöffnungen gleich für 4 Gleise entworfen worden, da eine Erweiterung bei der vorgesehenen Senkkastengründung nur sehr schwierig möglich gewesen wäre. Die Vorlandbrücken wurden bei der Bauabteilung entworfen. Der Entwurf für die Stromüberbauten wurde von der Bauabteilung und der Firma Hein, Lehmann & Co. bearbeitet.

Für die Flutbrücken wählte man 2 eingleisige Überbauten, da Ausbesserungs- und Verstärkungsarbeiten bei diesen leichter durchzuführen waren als bei einem zweigleisigen Überbau. Der Abstand der inneren Hauptträger betrug 0,80 m und mit Rücksicht auf einen später anzubringenden, öffentlichen Fußweg ergab sich der Abstand der Hauptträgermitten zu 3,10 m. Die Hauptträger sind parallelgurtige Fachwerkträger mit einer Systemhöhe von 5,00 m und einer Feldteilung von 4,10 m mit steigenden und fallenden Diagonalen und Pfosten. An waagerechten Verbänden wurden ein Windverband in der Untergurtebene, ein Schlingerverband zwischen den Längsträgern und ein Bremsverband in Brückenmitte vorgesehen. Auch die Einzelquerschnitte wurden so ausgeführt, daß eine gute Unterhaltung und eine leichte Ausbesserung und Verstärkung möglich war.

Die Montage der Flutbrücken erfolgte auf festen Gerüsten und konnte innerhalb von 14 Monaten für alle 12 Überbauten durchgeführt werden.

Um den drei Stromüberbauten etwa gleichen Aufbau und ein gleiches Aussehen zu geben, wählte man für die beiden seitlichen Überbauten eine Feldteilung von 8,84 m und in der mittleren Öffnung den Pfostenabstand von 9,30 m. Die Höhe der Endportale ist bei allen drei Überbauten die gleiche. Der Hauptträgerabstand von 9,00 m war für den großen Überbau mit einer maximalen Höhe von 2,70 m sehr gering. Außer den Windverbänden im Ober- und Untergurt und den Endportalen ordnete man keine Queraussteifungen an.

Die Fahrbahn unterteilte man in einzelne Abschnitte, die ihre Längskräfte über Bremsverbände in die Hauptträgeruntergurte ableiten. Bei der Berechnung der Unterbauten und der drei großen Überbauten wurde mit um 20% erhöhten Verkehrslasten gerechnet. Diese Maßnahme ergriff man, da Brückenverstärkungen sich als sehr kostspielig erwiesen hatten und eine Erhöhung der Lasten zu erwarten war. Nach der Montage mußten die Stromöffnungen rd. 1,5 m abgesenkt werden. Auch dieser Lastzustand fand bei der Berechnung und Ausführung Berücksichtigung. Durch die große Stützweite der mittleren Öffnungen bereitete die Ausführung einiger Knotenpunkte Schwierigkeiten. Für die Überwachung und Unterhaltung der Überbauten wurde an dieser Brücke erstmalig ein Besichtigungswagen auch am Obergurt angeordnet. Für jeden ~berbau waren 4 leichte Wagen vorgesehen,die auf besonderen Fahrbahnen an den Gurten entlang bewegt wurden. Während die beiden seitlichen Stromöffnungen auf gerammten Gerüsten ohne Schiffsdurchlaß montiert werden konnten, verlangte die Zentralkommission für Rheinschiffahrt zwei Durchfahrtsöffnungen von 80 m lichte Weite und 9,10 m lichte Höhe über HSW. Da weder ein Freivorbau noch ein Einschwimmen möglich war, entschloß man sich den Überbau auf zwei Rüstträgern mit einer Stützweite von je 89,40 m zusammenzubauen. Da die Konstruktionsunterkante nicht tiefer liegen durfte als die der endgültigen Brücke, mußte diese rd. 1,5 m höher montiert werden. Die Rüstträger wurden in Baustellennähe erstellt und eingefahren. Nach Fertigstellung des Überbaues wurde dieser von den Rüstträgern befreit und um 1,50 m auf die Lager abgesetzt. Wegen einiger Zwischenfälle konnte das Brückenbauwerk erst verspätet nach 2 Jahren Bauzeit fertiggestellt werden.

Im Gegensatz zu allen Rheinbrücken konnten die Überbauten dieser Eisenbahnbrücke nach der Kriegszerstörung gehoben und wieder verwendet werden. Nach sorgfältigen statischen Untersuchungen konnten zunächst die Flutbrücken und der rechte Stromüberbau auf die Pfeiler gesetzt und beschädigte oder zerstörte Teile ausgewechselt werden. Die mittlere Öffnung war durch ein 1944 gebautes, behelfsmäßiges Mitteljoch vor dem Absturz bewahrt worden. Es konnten nun mittels Hilfskonstruktionen an tragenden Teilen Ausbesserungen uns Auswechselungen vorgenommen werden.

Insgesamt betrug das Gewicht der auszuwechselnden Hilfskonstruktionen 600 Tonnen. Die Brücke konnte bereits im Mai 1946 wieder als endgültige 2-gleisige Brücke den Verkehr übernehmen. Die Instandsetzungsarbeiten wurden gemeinsam von den Firmen GHH Oberhausen, Demag und Friedr.Krupp Stahlbau Rheinhausen ausgeführt."

Prof.Dipl.-Ing. Hans-Fried Schierk, 100 Jahre feste Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen 1855-1955, pp.301ff
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Haus-Knipp-Eisenbahnbrücke Baerl
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