Bundeshaus
 
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  Bundeshaus  
     
  Dicht am Rhein gelegen steht ein Gebäudekomplex, dessen kurze Geschichte eng mit der Geschichte der Bundesrepublik verbunden ist. Es gehört zu den allgemein bekannten Anekdoten, daß die Wahl die minder bedeutende Provinzstadt ihren Status als Sitz des Parlaments und der Bundesregierung dem schlauen Einsatz Konrad Adenauers verdankt: Als die Frage nach der Hauptstadt der aus den Westzonen bestehenden Republik aufgeworfen wurde, stand eine Stadt nicht auf der Liste. Berlin kam wegen seiner Lage in der sowjetisch besetzten Zone und der Teilung nicht in Frage. Von den vier Städten Stuttgart, Frankfurt, Kassel und Bonn kamen schließlich Frankfurt und Bonn in die engere Wahl. Frankfurt hatte aufgrund seiner Geschichte und seiner Lage gute Chancen und verfügte sogar im Parlament über eine Mehrheit der Fürsprecher über die Parteien hinweg. Adenauer, der bis zum Sieg der Nationalsozialisten Oberbürgermeister seines Geburtsorts Köln gewesen war und sich während der Naziherrschaft in ein Haus in Rhöndorf zurückgezogen hatte, gelang es schließlich mit dem Argument, daß die 'Roten' andernfalls triumphieren würden, alle Mitglieder der Christlich Demokratischen Partei dem Fraktionszwang zu unterwerfen und die Fürsprecher Frankfurts auf die Bonner Seite zu ziehen.
Plenarsaal
Frankfurt besaß mit der Paulskirche ein starkes architektonisches Symbol für die parlamentarische Demokratie, das noch dazu im Herzen der Stadt lag. Da die (im Krieg stark beschädigte) Paulskirche andererseits den modernen Ansprüchen nicht würde genügen können, veranlaßte man schon siegessicher und selbstgewiß die Errichtung eines außerhalb des Zentrums gelegenen Rundbaus. )Die Entscheidung erwies sich als vorschnell und bescherte dem Hessischen Rundfunk sein wegen Empfangsgebäude, das wegen seiner goldfarbenen Säulen 'Hundehimmel' genannt wurde.)
In Bonn hatte man unterdessen, veranlaßt durch die Alliierten, die sog. Pädagogische Akademie für Lehrerfortbildung als Herberge der Verfassungsgebenden Versammlung bestimmt. Der Konvent begann im September 1948 damit, ein Grundgesetz der künftigen Bundesrepublik zu formulieren. In der Absicht, die Wahl Bonns als Hauptstadt buchstäblich zu untermauern, beeilte sich die Stadt, das Haus, das 1930-33 im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaut worden war, dem künftigen Nutzen entsprechend umzubauen und ihm in der Rekordzeit von fünf Monaten einen Plenarsaal hinzuzufügen.
Sitzung im alten Plenarsaal (Foto: Bundesarchiv)
Vor dem Hintergrund einer künftigen Wiedervereinigung galt das ehemals brausende Berlin als die ideelle gesamtdeutsche Hauptstadt, das verschlafene Bonn dagegen lediglich als Provisorium. Die Motivation, einen Generalplan für das Regierungsviertel zu entwerfen, war entsprechend gering und hätte unter den Verfechtern der Wiedervereinigung sogar als Verrat betrachtet werden können. Somit fanden die Veränderungen eher im Stillen im Zuge einer Anpassung an die jeweils neuen Verhältnisse statt. Überdies trug die neue Republik an einer historischen Hypothek. Sie ließ es - vor allem angesichts des zurückgewonnen Wohlstands - als geraten erscheinen, sich in Bescheidenheit zu üben, um wirtschaftlichen Neid und politisches Mißtrauen gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Der Gesamtkomplex des Bundeshauses entstand in mehreren Bauabschnitten. Als Bonn zur vorläufigen Hauptstadt gewählt wird, beinhaltet das Gebäude der ehemaligen Akademie den Sitz der parlamentarischen Körperschaften. Der vorgegebene Raum reichte nicht aus, für den Bundestag werden der Plenarsaal und der Südflügel, für den Bundesrat der Nordflügel angebaut. 1951 folgt unter Leitung des Architekten Hans Schwippert eine Erweiterung nach Süden, die in den Zwischenflügel und den siebengeschossigen Erweiterungsbau, dem sogenannten ‚Kleinen Hochhaus’, mündet. Die zweite Amtsperiode des Bundestags erforderte 1953 eine weitere Vergrößerung des Plenarsaals mit einem Anbau für Büro- und Sitzungsräume (Ministerbau). Im Anschluss an den Südflügel wurde ein dreigeschossiger Flügel nach Süden mit Verbindung zum Hochhaus geschaffen.
Schwippert war auch für die Inneneinrichtung zuständig, konnte sich indes mit seinem Entwurf für eine kreisförmige Sitzordnung nicht durchsetzen. Frontal wurde in der Schule unterrichtet. Frontal saß die Legislative der Exekutive gegenüber. Der Größe des Parlaments war es immerhin geschuldet, daß die Sitzreihen sich um das Rednerpult krümmten.
 

Daß das Parlament den Geist der Zeit verbreitet, es versteht sich fast von selbst. Wer ein wenig mehr über diesen Geist erfahren will, der im Zentrum der Macht naturgemäß umging, lese den Roman 'Das Treibhaus' von Wolfgang Koeppen. Der Titel ist eine Metapher für den Bundestag, der Roman eine Reflexion eines Abgeordneten über Kollektivschuld und dem Wunsch nach Re-Militarisierung in der frühen Nachkriegszeit.
Mitte der achtziger Jahre herrscht ein anderer Geist. Der Plenarsaal wird wegen Baufälligkeit abgerissen. Die Parlamentarier tagen vorübergehend in einem umgebauten alten Wasserwerk. Durch den Neubau, der 1988 in Angriff genommen und 1990 fertiggestellt wird, fährt 1989 der Blitz der Geschichte. Als die Parlamentarier 1992 ihr neues Domizil beziehen ist diese Zukunft schon Geschichte.
Recht unsentimental, ohne hörbare denkmalschützerische Einwände und fast unbemerkt wurde das alte Parlamentsgebäude in den folgenden Jahren um- und ausgebaut. Äußerlich und innerlich gewandelt dient es als Kongresszentrum der Vereinten Nationen in einer verschlafenen Stadt, die die Welt begrüßt.

 
EN Bundeshaus Bonn  
  Had you passed this spot some time in the 1950es or 60es you would have seen a building that you had not known but from the evening news or a picture in a magazine. Someone would point to it and call out: 'Look there, the Bundeshaus.' And somebody would ask: 'Where? But where?' The West-German parliament was far from spectacular although it was at the hub of an exciting period of national history.
Why did Bonn become the Federal Republic's capital city in the first place? When the question of the future seat of the West-German Government arose Berlin was not on the list. As an island cut in two in a sea of Reds it seemed beyond debate. While four cities threw there hats in the ring, namely Stuttgart, Kassel, Frankfurt, and Bonn, eventually only Frankfurt and Bonn were to be considered.
Frankfurt's odds were rather high. It had a long republican tradition and support across the party lines. Ironically it was this support that turned against its aspirations. Chancellor to-be Konrad Adenauer, who had been mayor of his birthplace Cologne had withdrawn to Rhöndorf until the war was over. The vote of his own Christian Democratic Party for Frankfurt would play into the hands of the Socialists by granting them a triumph, he argued, thus forcing them under the party whip to vote for Bonn.
plenary hall
In September 1948 a convention began to lay out the new German constitution in a teacher's training academy. Seeing that Frankfurt, prematurely, built a new plenary hall in next to no time, Bonn followed suit. The academy building, erected in 1930-1933 in the style of the Neue Sachlichkeit, was converted and given a plenary hall.
session in the old plenary hall (Foto: Bundesarchiv)
While expectations of a future reunification were kept alive the effervescent city of Berlin was the secret capital of the country while the status of the sleepy town on the Rhine was regarded as temporary. Motivation to draw a general plan that includes all government institutions was low. Changes were made but more as adjustments to new circumstances than structural interventions. Commitments to Bonn could have been misunderstood as betrayal of the hopes regarding a united Germany. Moreover the new Republic carried the burden of its recent history. Especially in view of the new wealth it seemed wise to exercise modesty to avoid economic envy and political suspicion.
The complex of the Bundeshaus developed in stages. When Bonn became the capital city of the Federal Republic the building of the academy housed the parlamentary bodies. Space being insufficient a plenary hall and the southwing as well as a north wing for the Bundesrat were swiftly added. In 1951 the architect Hans Schwippert
1951 folgt unter Leitung des Architekten Hans Schwippert accounted for an extension to the south with an intermediate wing and a seven-story building for offices for the members of parliament. The following session already required an extension of the floor with additional rooms for offices and meetings as well as a three-storey wing to the south.
Schwippert was also responsible for the interior. However, his plan for a more circular arrangement of the tiers did not meet the approval of the government. At least the size of the parliament and number of its members made necessary the slight bending of the rows of seats around the despatch box.
milk bar

It is almost a matter of course that a building represents the spirit of its times. Whoever wants to know more about the Bundeshaus and its 50es spirit, should read 'The Hothouse' by Wolfgang Koeppen. The novel's title is a metaphor for the Federal Parliament, the novel a witty reflection of a partisan member of parliament in moral conflict haunted by collective guilt and tendencies of re-militarisation in the early post-war era.
In the mid-eighties this spirit has long come to rest. The plenary hall is in a deplorable state of disrepair and demolished. Temporarily the parliament moves into a converted ex-waterworks, while a new transparent hall is built. Half-way in the construction period from 1988 to 1990, lightning of history strikes. As the members of parliament move into their new domicile their future is already about to become history. In the years that follow the old parlamentary building undergoes complete refurbishment. Quite unsentimentally and without qualms it is turned into a congress centre for the United Nations in a sleepy city on the Rhine that welcomes the world.

 
       
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