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Der Tomasee im östlichen Gotthardmassiv
gilt als eine der Quellen des Vorderrheins. Er ist in den Sommermonaten
vom Oberalppaß aus auf einem gut markierten Pfad und nach einem zunächst
sanften, auf dem letzten Wegstück steilen Anstieg zu erreichen.
Auf den Richtungsweiser lese ich «Naturschutzgebiet Tomasee. Lai
da Tuma. 1343m. Oberalppaß 2 3/4 Stunden.» Der Tomasee hat
nichts Großartiges; eigentlich ist er nur ein mit Schmelzwasser
gefülltes Becken, etwa 250 Meter lang, 100 Meter breit, 10 Meter
tief. Gletscher der Eiszeiten haben diese Felsmulde zurückgelassen.
Ungezählte Abflüsse von den Schneegipfeln sammeln sich darin.
Wo das Wasser talwärts überfließt, kerbt es sich in jahrtausendelanger
Arbeit ein. Zugleich räumt das abfließende Wasser den Erosionsschutt
aus.
Der Tomasee ist also ein erstes Sammelbecken für Quellgewässer
aus höheren Lagen; hinter der «Quelle des Vorderrheins»
gibt es weitere Quellen. Wo ist ein Anfang? Sollte ich es genau nehmen
und weiter an einem der Bäche hinaufsteigen, um an eine der ungezählte
Quellen zu gelangen? Aber die Auswahl wäre zufällig, das Hervorquellen
überdies nur ein beiläufiges Ereignis, denn im Sommer würde
die «Quelle» trocken liegen, im Winter von Eis und Schnee
überdeckt sein und im nächsten Frühjahr vielleicht an anderer
Stelle fließen und sich ein anderes Bett wählen. Also wende
ich mich dem Abfluß des Tomasees zu.
Durch die Abflußkerbe hindurch folge ich dem Wasser über einen
Geröllhang. 200 Meter hinunter zur Hochfläche Plidutschu, einer
nassen, sumpfigen Wiese, auch sie eine Hinterlassenschaft des Würmeises.
Der Bach durchquert die Hochfläche, wendet sich nach Norden und stürzt
über eine Felskante ins Vorderrheintal hinunter. Der «Rein
da Tuma» ist ein prächtiger Wasserfall geworden. |
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