Wesel
 
Rheinbabenbrücke
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Rheinbabenbrücke Wesel (1914-17)

"Mit der Planung einer festen Rheinbrücke am nördlichen Niederrhein beabsichtigte man eine bessere Verbindung zwischen dem Hinterland der Stadt Wesel und den linksrheinischen Grenzgebieten zu schaffen. So entstand im Jahre 1903 bereits ein erster Brückenvorentwurf und einige Jahre später beim Wasserbauamt Wesel ein Entwurf, der im wesentlichen die Formgebung der Ausführung aufwies. Die Lage der Brücke war durch die gegebenen Verhältnisse bestimmt. 

Die Befestigungsanlagen auf der linken Rheinseite und die vorhandene Überquerung der Lippe, kurz vor der Einmündung in den Rhein, mußten beibehalten werden. Die Pfeilerstellung und die lichten Öffnungen wurden durch die Rheinstrombauverwaltung bestimmt. Diese Entfernungen der Pfeilermitten betrugen 55,0; 97,5; 150,0; 97,5; und zweimal 55,0 m. 

Für die fünf ersten Öffnungen wurde ein zusammenhängendes Tragwerk vorgesehen, während die letzte Offnung von 55,0 ein eigenes Tragwerk erhielt.

Die mittlere Öffnung konnte mit 150,0 m kleiner als bei den weiter stromaufwärts gelegenen Rheinbrücken gewählt werden, da die Schiffszüge in Wesel ohne Aufenthelt durchfuhren. In der Gestaltung und im statischen System lehnte sicn der Ausführungsentwurf an die benachbarte Straßenbrücke bei Duisburg-Ruhrort an.

 Die Auftragsverhandlungen, insbesondere für die stählernen Überbauten wurden durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges verzögert. Die allgemeine Lage und die Zusicherungen durch die ausführenden Firmen ermöglichten trotzdem den Baubeginn. Die Gründung der beiden Widerlager und der beiden linksrheinischen Vorlandpfeiler wurden ohne Besonderheiten in offener Baugrube zwischen Spundwänden ausgeführt. Für die Gründung der übrigen Strom- und Vorlandpfeiler verwendete man Senkkästen aus einer mit Beton ummantelten Stahlkonstruktion.

Die aufgehenden Widerlager und Pfeiler bestanden aus einem Stampfbetonkern mit vorgesetzter Natursteinverkleidung. 

Der stählerne Überbau wurde als Fachwerk-Gerberträger ausgeführt. Die beiden Seitenöffnungen kragten beidseitig aus und übernahmen in der Mittelöffnung einen Einhängeträger mit 1 = 75,0 m. An den zum Vorland hin angeordneten Kragträgern schließen Fachwerküberbauten mit 1 = 41,25 m an. Die Gesamtbreite zwischen den Geländern verteilte sich auf die Fahrbahn mit 7,50 m und zwei Fußwegen von 1,75 m Breite und der erforderlichen Breite für die Schrammborde und die Stahlkonstruktion. Der Hauptträgerabstand betrug 9,30 m, die Höhe der Hauptträger in den Nebenöffnungen 5,50 m, im parallelen Teil des Kragträgers 8,00 m und im eingehängten Mittelträger ca.9,00 m. 

Die Systemhöhe über den Strompfeiler betrug 24,55 m. Bei der Anordnung von Pfosten und steigenden sowie fallenden Streben ergaben sich Feldteilungen von 6,875 m für die Seitenöffnungen und 7,50 m für die Hauptöffnugen. Um dem Bauwerk nicht nur in der Stromansicht eine einfach und ruhige Gliederung zu geben, beachtete man besonders die Formgebung der Hauptpylone und des oberen Windverbandes. Die Montage der Stahlüberbauten konnte auf Rüstungen sowohl für die Flutöffnungen als auch für die beiden Kragträgeröffnungen durchgeführt werden. Der Mittelteil wurde im Freivorbau montiert, wobei die Pendelgelenke durch besondere Hilfsmaßnahmen festgestellt wurden. Die Durchführung der Montage verzögerte sich, da keine Facharbeiter vorhanden waren und im Jahre 1916 eine Freistellung aus dem Heere nicht mehr erfolgte. So mußten die letzten Montagearbeiten, wie Ausrüsten und Freisetzen des Mittelträgers und das Aufbringen der Fahrbahn mit ausländischen Hilfskräften durchgeführt werden.

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Rheinbabenbrücke

Wenn auch die Brücke im Juli 1917 dem Verkehr übergeben wurde, so erhielt sie erst nach dem Kriege den endgültigen Anstrich. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Brücke im Verlaufe der Kampfhandlungen am 3. März 1945 von deutschen Pionieren gesprengt. Im Jahre 1946 wurde von britischen Truppen 75 m oberhalb der zerstörten Brücke die erste feste Dauerbehelfsbrücke mit Baily-Brückengerät errichtet. Das Grundelement war ein leicht transportabler Fachwerkrahmen, der in Abhängigkeit von der erforderlichen Tragfähigkeit zu mehreren Einheiten über- und nebeneinander zusammengefaßt werden konnte. Diese als Ersatz für die Straßenbrücke vorgesehene "Montgomery-Brücke" wurde für die größte Stützweite von rd. 74 m aus drei- und zweistöckigen in dreifacher Anordnung nebeneinander liegenden Einzelheiten zusammengesetzt. Da jede Bailey-Brücke nur eine Fahrspur aufwies, wurden zwei Brücken mit einem Zwischenraum nebeneinander verlegt, so daß zwei Fahrspuren mit 3,30 m Breite, zwischen den Brücken ein 1,85 m breiter Radfahrweg und an den Außenseiten je ein Fußweg mit 1,20 m Breite entstanden. Die Zwischenpfeiler bestanden aus Frankipfählen mit den in die Pfahlköpfe eingebundenen Auflagerbänken aus Stahlbeton. 

Nach nur fünf Monaten Bauzeit konnte die Brücke dem Verkehr übergeben werden. 

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Montgomery-Behelfsbrücke (1945-53)

Die außerordentlich hohen Unterhaltungskosten und die Behinderung der Schiffahrt durch die verhältnismäßig kleinen Durchfahrtsöffnungen zwangen schon bald, mit der Planung einer neuen festen Brücke zu beginnen. Da das westliche Widerlager, die Vorlandpfeiler und die Fundamente der Strompfeiler erhalten geblieben waren, erschien es wirtschaftlich, den Wiederaufbau mit den alten Stützweiten vorzunehmen. Aus einem Wettbewerb wählte man den für den Überbau eine Ausführung als Fachwerkträger ebenfalls erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen.

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Montgomery-Behelfsbrücke (1945-53)

Nachdem in langen Verhandlungen die Mittelbeschaffung geklärt und die Materialbeschaffung geregelt worden war, konnte man mit den Entwurfs- uns Konstruktionsarbeiten beginnen. Die Wiederherstellung zerstörter Brücken stellen den Ingenieur im allgemeinen vor anders gelagerte Fragen und Entscheidungen als sie der Neubau einer Brücke mit sich bringt. Die veränderten Verkehrsverhältnisse auf den Straßen und die Schiffahrtsbelange müssen bei der Wiederherstellung einer zerstörten Brücke berücksichtigt werden und die Gegebenheiten der vorhandenen Unterbauten setzen dem Wiederaufbau rein technisch sehr enge Grenzen. 

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Rheinbabenbrücke 1953

Für die Wiederherstellung der Rheinbrücke waren die Gründungen der beiden Strompfeiler, die Vorlandpfeiler und das rechtsrheinische Widerlager brauchbar. Nach dem Aufbau bzw. der Umgestaltung der Unterbauten begann die Erstellung der Überbauten. Die aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Stahlbeschaffung zwangen den Auftraggeber, die ursprünglich in Stahlbauweise vorgesehenen Vorlandbrücken in vorgespanntem Beton auszuführen. 

Gemäß den vorgegebenen Bedingungen wurden rechtsrheinisch ein Balken auf zwei Stützen mit einer Stützweite von 1 = 54,25 m und linksrheinisch ein Durchlaufbalken auf drei Stützen mit 1 = 55,50 und 54,75 m gewählt. Bei einer Fahrbahnbreite von 7,80 m und beidseitig auskragenden Fußwegen mit 3,26 m betrug die Konstruktionshöhe der beiden vorgespannten Längsträger maximal 2,70 m. In Längsrichtung bildeten die Fahrbahnplatten und die Längsträger als Tragsystem einen Plattenbalken. Die Überbauten sind in Längs- und Querrichtung mit Vorspannstäben  Ø 26 St 90 vorgespannt, Betongüte B 450. In der kurzen Zeit vom April 1952 bis Ende des gleichen Jahres konnten die Vorlandbrücken fertiggestellt werden, ohne daß die inzwischen angelaufene Montage der stählernen Strombrücke behindert wurde. 

Die drei Stromöffnungen von 97,0 + 150,0 + 97,0 m überbrückte 334 ein Strebenfachwerk mit einer Systemhöhe von 12,0 m und Feldweiten von 12,5 bzw. 12,125 m. 

Die Stahlbetonfahrbahn stützte sich als kreuzweise bewehrte Platte auf einem Stabwerkrost von Zwischenquerträgern und den im Abstand von 3,75 m angeordneten Längsträgern ab. Die Querträger waren im Abstand der Untergurtknotenpunkte angeordnet und trugen gleichzeitig den beidseitig auskragenden Gehweg. Die Gurte und Streben der Fachwerkhauptträger wurden als offene Profile gewählt und deren Einzelteile so aufeinander abgestimmt, daß in der Mittelöffnung und den Seitenöffnungen die äußeren Abmessungen beibehalten werden konnten und trotzdem die zulässigen Spannungen soweit wie möglich ausgenutzt wurden. Zur Aufnahme der seitlichen Kräfte wurde ein oberer und unterer Verband in den Ebenen der Hauptträgergurte angeordnet. Der obere als Rautenfachwerk ausgebildete Verband übertrug seine Kräfte durch geschlossene schrägliegende Portalrahmen in die Auflager. 

Die festen Auflager der Strombrücke befinden sich auf dem linksrheinischen Strompfeiler, alle übrigen Lager sind beweglich. An den Übergangsstellen zu den Vorlandbrücken wurden die möglichen Längenänderungen durch entsprechend ausgeführte Fahrbahnübergänge aufgenommen. 

Die statische Berechnung der Fahrbahnplatte und der Stahlkonstruktion bot keine Besonderheiten. Bei der Berechnung der Hauptträger war auf den Montagevorgang, vor allem der einzelnen Montagezustände des Freivorbaues, Rücksicht zu nehmen. 

Die Seitenöffnungen wurden über vier Gerüste hinweg montiert, die Mittelöffnung mit Rücksicht auf die Schiffahrt in ganzer Länge frei vorgebaut. Noch während der Nietarbeiten an den Überbauten wurden die Schalungsarbeiten für die Fahrbahn von Brückenmitte aus nach den beiden Widerlagern hin begonnen. Nach dem Betonieren der Fahrbahnplatten und der Gehwegplatten folgte die Ausführung der Dichtungsarbeiten und das Aufbringen des Hartgußasphalts in zwei Schichten.

Nachdem eine Belastungsprobe mit experimentellen und theoretischen Untersuchungen stattgefunden hatte, die Rampenarbeiten beendigt und auch der Stahlüberbau seinen endgültigen Anstrich erhalten hatte, wurde die neue Rheinbrücke bei Wesel am 18.6.1953 dem Verkehr übergeben.

Prof.Dipl.-Ing. Hans-Fried Schierk, 100 Jahre feste Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen 1855-1955, pp.321ff
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  Alte Weseler Straßenbrücke (1953-2009)
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Niederrheinbrücke Wesel (Schüssler-Plan)

Als Teil der Ortsumgehung der B58, die eine Ost-West-Verbindung zwischen der rechtsrheinischen A3 und der linksrheinischen A57 darstellt, begann im Mai 2005 wenige Meter stromaufwärts der Bau einer neuen Brücke, die im März 2012 eingeweiht wurde. Entsprechend der am Niederrhein seit dem Bau der Kölner Severinsbrücke inzwischen eingeführten Brückenarchitektur entschied man sich für eine Schrägseilbrücke mit einem einzigen 130 m hohen. lambdaförmigen Pylon der beiderseits der vierspurigen Fahrbahn auf einem Pfeiler im linksrheinischen Vorland fußt, wodurch eine ungehinderte Begegnung der Schiffahrt in beide Richtungen gewährleistet ist. Der Bau der Strombrücke erfolgte im Freivorbau. Die 29,2 m Breite der 722,5 m langen Brücke teilen sich vier Fahrspuren, Fuß- und Radwege. Die Stützweiten betragen 53,24 - 5 x 64,54 - 334,82 - 61,76 m, wobei man für die Strombrücke eine Stahl-, für die Vorlandbrücke eine im Querschnitt gleichartige (zweizelliger, im Bereich der Seilverankerung dreizelliger Hohlkasten) Stahlbetonkonstruktion wählte, wobei diese das Gegengewicht für die harfenförmige Abspannung der Strombrücke vom linken Ufer bildet. Der Übergang der beiden Baumaterialien liegt vor dem Pylon in Richtung Strom, mit dem Ziel günstigerer statischer Verhältnisse in der Konstruktion.
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Niederrheinbrücke Wesel (Photo: Schüssler-Plan)

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