Rotterdam
1018
Pernis
photo
Pernis Appartement 50er Jahre

Wie Katendrecht, Rozenburg oder Heijplaat ist Pernis inzwischen eine jener Vorstädte von Rotterdam, die sich als Standort der Schwerindustrie hervorgetan hat. Der Besucher ist in der Regel beeindruckt von der Tatsache, daß die viereinhalbtausend Einwohner, obwohl zwischen Raffinerien und Tanklager gequetscht, auf anderthalb Quadratkilometer, mit Aussicht über die Nieuwe Maas, ihre isolierte Lage kaum zur Kenntnis nehmen und den Schein einer Kleinstadtexistenz so gut wie möglich wahren. Obwohl der Ort klein ist und unter dem Einfluß des Hafens seine Gestalt geändert hat, ist er tief in der Geschichte verwurzelt, die bis ins 13. Jhdt. zurückreicht. Schon 1307 verzeichnete Pernis eine Kirche mit eigenem Pfarrer und Küster. Im 18. Jhdt. verlegten sich die Dorfbewohner, deren Existenz auf der Landwirtschaft beruhte, aufs Fischen, mit einer Flotte, die in Hochzeiten 22 Slupen zählte und bis nach Island auszog.

In den 1930er Jahren teilte Pernis das Schicksal anderer kleiner Orte am Südufer. Als der Hafen sich nach Westen ausbreitete, wurde Pernis von Rotterdam geschluckt. Der Hafen, der in der Vergangenheit auf den Umschlag und die Lagerung von Massengut gesetzt hatte, lenkte seine Aufmerksamkeit jetzt stärker auf Erdöl und Erdölprodukte, die seit dem 1. Weltkrieg zunehmende Bedeutung gewannen.

Einen Petroleumhaven gab es schon seit den 1890er Jahren, als Petroleum genau das war: Öl für Lampen und Herde, transportiert in Holzfässern, um in Haushaltsmengen in Apotheken und Drogerien verkauft zu werden. Der Hafen, der jetzt zwischen Maas und Eemhaven liegt, war kaum mehr als ein kleiner Einschnitt ins Südufer, wo die Deutsch-Amerikanische Petroleumgesellschaft - ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Riedemann und Schütte und Standard Oil (ESSO) - ihr örtliches Büro unterhielten, gefolgt von einem Ableger der Pakhuismeesteren, die für ihr Ölgeschäft einen eigenen Hafen erhielten, der 1941 in Robbenoordsehaven umgenannt wurde.

Mit Rücksicht auf die Gefahren der Öllagerung und der ständigen Knappheit an Kaiflächen in der Nähe des Zentrums wurden die Mieter des Petroleumhaven gezwungen, in den 1e Petroleumhaven umzuziehen, dessen Bau 1929 in Angriff genommen wurde. Die Häfen, die etwa 12 Kilometer weiter nach See, in der Nähe der Mündung der Oude Maas lagen, bildeten dadurch den äußersten westlichen Teil des Hafens, bereits jenseits des Dorfes Pernis. Sie erstreckten sich über ein Gebiet, das sechsmal größer war, als der alte Hafen. Dennoch waren alle verfügbaren Plätze schon 1937 wider Erwarten vermietet, was die Entscheidung für den Bau eines 2e Petroleumhaven beschleunigte. Während Rotterdam so der Standort für Erdöl und Benzig auf dem Kontinent wurde, wurde Pernis zu einem Synonym für den petrochemischen Komplex von Rotterdam.

Während des 1. Weltkriegs hatte sich schon gezeigt, daß die Versorgung mit Öl in jeder Hinsicht entscheidend für den Betrieb der riesigen Kriegsmaschinerie war, umso mehr galt das für den 2. Weltkrieg. Schiffe konnten vom Wind angetrieben werden, Schiffe und Eisenbahn mit Kohle, aber Panzer, Autos und Flugzeuge nicht. Und weil der Krieg auch eine Demonstration für künftige neue Technologien darstellte, war es nur eine Frage der Zeit, bis neue Petroleumhäfen gebaut würden: der 3e (1950-54), schon jenseits der Oude Maas, nachdem die Wohnungsnot verhinderte, daß Pernis dem Hafen geopfert wurde, gefolgt vom 4e, 5e, 6e, 7e und 8e Petroleumhaven. In Anbetracht der Notwendigkeit, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zwar schrittweise, aber doch rasch zu verringern, um in absehbarer Zukunft weitgehend darauf verzichten zu können, zeigt sich hierin allerdings auch die Abhängigkeit des Rotterdamer Hafens von Erdöl als Schmierstoff der nationalen Ökonomie.

gemälde
'Petroleumopslag Pakhuismeesteren aan de Robbenoordsehaven, Charlois'
Willem van Dort (1927) Museum R'dam
©2019 ultramarin.nl