In jener Periode hing die Rolle der Häfen von den Routen ab, die ihnen zugewiesen waren. Während
Amsterdam als unbestrittenes Handelszentrum hauptsächlich mit dem Baltikum, der Levante und Ostindien verkehrte,
orientierte sich Rotterdam zu Nordsee und Atlantik, insbesondere nach England, Frankreich, Spanien, Portugal
und die Karibik. Hatte Amsterdam politisch und gesellschaftlich mehr aufzuweisen als seinen Hafen, waren Identität
und Selbstachtung von Rotterdam tief im Hafen, in seinen Unternehmen und Industrien verwurzelt. Seit dem Bau der
Waterstad beanspruchte der Hafen fast die Hälfte des Stadtgebiets - ein Verhältnis, das seither mit jeder
Erweiterung der Stadt zugunsten des Hafens zunahm.
Die Dynamik des Hafens führte zu einer Entwicklung der Stadt, deren Gesicht für seine Wandlung keinen Krieg
erforderte. Gleichwohl scheint es, als habe sich zwischen den Karten von 1652 und 1865 über zwei
Jahrhunderte hinweg nicht viel geändert. Dabei war die weitgehend aus Holz gebaute Stadt repräsentativeren,
massiven Steinhäusern gewichen, waren die Schiffbauplätze an den Zalmhaven, eine Verlängerung des
Leuvehavens, umgezogen Außerhalb des westlichen Singel befindet sich nun der Veerhaven mit
einer Zufahrt von der Maas und dem Westerhaven, der ihm als Innenhafen angefügt wurde.
Mitte des 19. Jhdts. standen andere holländische Häfen ebensogut da oder sogar besser als Rotterdam
mit seinem Hafen, dessen Erreichbarkeit über das Wasser prekär war. Der für einen Hafen so
selbstverständliche Zugang übers Wasser mußte für Rotterdam erkämpft werden, obwohl die Stadt von Wasser umgeben war.
Als die Brielse Maas - der südliche Arm der Maas um die Insel
Rozenburg - verlandete, wurden Seeschiffe gezwungen, lange Umwege in Kauf zu nehmen oder überhaupt
andere Häfen anzulaufen. Im Tidegebiet der Küste, in der mit jeder Flut gewaltige Massen Sediment bewegt
werden, war das Ausbaggern mit den damaligen Mitteln keine Lösung. Der Kanal durch die Insel Voorne
bot ebenfalls keine langfristige Lösung. Mitte des 19. Jhdts beschloß die niederländische Regierung,
den Gordischen Knoten mit dem Bau eines Kanals zwischen der Stadt und Hoek van Holland zu durchschlagen.
Nach den üblichen Geburtswehen verbesserte sich die Lage von Rotterdam erheblich und in einem Maß, daß die
Nachbarn um ihre eigene Zukunft bangen mußten. Ende des 19. Jhdts. fanden sich eine ganze Anzahl Gemeinden
der Umgebung von der aufstrebenden Stadt vereinnahmt. Zu Vororten wurden u.a. das auf einer ehemaligen Insel
gelegene Feijenoord (1869), Kralingen mit Charlois und Overschie (1895),
Delfshaven (1886), Hoek van Holland (1914),
Pernis und Hoogvliet (1933), schließlich unter der Besatzung
IJsselmonde (1941) und nach dem Krieg
Blankenburg (1965) und in jüngster Zeit verlor das
vom Hafen bedrängte Rozenburg (2010) seine Selbständigkeit.
Mit jeder Eingemeindung wuchs die Stadt an Einwohnern und Fläche, was der der Hafenerweiterung zugute kam.